Interview mit APOCALYPTICA - Klischees & pseudoböse Metalbands



Wiener Gasometer, 11.4.2005, 15.00. Während dutzende kleine Grufti-Gören bereits vor und um die Veranstaltungshalle herum lauern, darf ich zusehen wie APOCALYPTICA, sichtlich daran Spaß habend, eine eigene Steinplatte für den Walk of Stars des Einkaufszentrums entwerfen. Zehn Minuten später sitze ich mit Paavo, stellvertretend für die restliche Truppe im Interviewraum, um ihm zum neuesten Meisterwerk „Apocalyptica“ zu gratulieren und mit ihm ein wenig über Gott und die Welt zu plaudern...

Erzähl mal, wie geht es euch jetzt, zwei Monate nach der Veröffentlichung eures neuen Albums und nach unzähligen Konzerten überall auf der Welt?

Ganz gut, wir haben in größeren Venues als vorher gespielt. Fast alle unserer Konzerte waren ausverkauft, sieht so aus als hätten wir mehr Erfolg denn je. Wir sind also sehr zufrieden damit, wie im Moment alles läuft.

Ihr habt ja im Laufe der Zeit euren Musikstil ziemlich entwickelt. Zuerst waren nur vier Cellos da, dann kam das Schlagzeug und nun schließlich habt ihr auf eurem letzten Album sogar Gesang... Glaubt ihr nicht, dass ihr dadurch etwas an eurer Originalität verliert?

Naja, wir haben ja schon früher einige Songs von den letzten Alben mit Gesang aufgenommen, also an und für sich ist es für uns ja nichts Neues.

Aber viele Zuhörer haben euch sicher erst durch diese paar Lieder kennengelernt...

Ja, aber sagen wir es so: Wenn sich die Leute in die Songs mit Gesang verlieben, ist es gut. Aber natürlich ist es noch schöner, wenn sie sich dann noch mit den instrumentellen Stücken anfreunden und die Gesamtheit, das was APOCALYPTICA ausmacht für sich entdecken. Es ist egal, ob Gesang bei einem Stück dabei ist, oder nicht, die Songs sind immer ungefähr gleich, aber das merken nur viele Leute nicht. Die rein instrumentelle Musik ist schwierig zu verstehen und es ist leichter, sich durch den Gesang den Liedern zu nähern.
Auf dem aktuellen Album sind jetzt eben zwei von elf Stücken mit Gesang, das heißt aber nicht, dass wir den instrumentellen Teil vernachlässigen oder verleugnen würden, ganz im Gegenteil.


Auf der Limited Edition findet man ja noch die drei Versionen von „Quutamo“, auf Französisch, Deutsch und Englisch. Wieso wolltet ihr es überhaupt so oft aufnehmen?

Also um ehrlich zu sein, das war eher die Idee von unserer Plattenfirma. Die ursprüngliche Version war die auf Französisch mit Emmanuelle Monét, die auf dem normalen Album ja als versteckter Track zu finden ist.
Es war so, dass wir die Platte schon aufgenommen hatten. Dann hat dieses französische Mädchen uns gefragt, ob sie mit uns zusammenarbeiten könnte. Wir haben uns gedacht, was soll’s, soll sie sich eben ein Stück aussuchen. Sie hat es dann selbst in Frankreich aufgenommen und ich finde, sie hat es wirklich gut gemacht, ich habe mich sofort in diese Version verliebt.
Emmanuelle hat auch eine eigene Band in Frankreich, die DOLLY heißt. Die spielen, wenn man es so nennen will, künstlerischen Rock und sind ziemlich beliebt in Frankreich.
Naja, und dann gibt es in Deutschland diesen gewissen Stefan Raab, der APOCALYPTICA in seine Show haben wollte, zum „Bundesvisions- Songcontest“. Das ist anscheinend sein eigener, aber wirklich lustiger Humor, dass er zu einem deutschen Songcontest eine finnische Band einlädt, um Baden-Würtemberg zu vertreten (*lacht*).
Dann haben wir Marta gefunden, die die Sängerin von DIE HAPPY ist und aus Baden-Würtenberg kommt und mit ihr wollten wir schon vor Jahren etwas aufnehmen. Und sie wollte eben auch genau dieses Lied singen. Im Studio haben wir uns gedacht, egal, nehmen wir es auch noch auf Englisch auf.
Es war also ganz am Anfang eigentlich keine Absicht, dass es drei verschiedene Versionen von diesem Stück geben würde.


Mit wem könntet ihr euch denn noch eine Kollaboration vorstellen?

Es gibt viele, mit denen wir gern etwas machen würden. Aber im Moment ist es besser keine Beispiele zu nennen, weil wir schon ziemlich sichere Pläne haben, was dieses Thema betrifft, aber noch nichts zu 100 % fix ist und es wäre schade, wenn wir zu viel versprechen würden und dann zum Schluss würde gar nichts daraus werden.

Wieso heißt eigentlich gerade dieses Album „Apocalyptica“, wieso habt ihr nicht zum Beispiel euer erstes so genannt?

Ich weiß nicht, damals sind uns noch gute Namen eingefallen (*lacht*). Nein, jetzt ganz im Ernst, die neue Scheibe ist vom Aufbau her ungefähr wie die „Reflections“, aber sie summiert die guten Punkte von der letzten und genau diese haben wir jetzt weiterentwickelt. Wir präsentieren einfach unseren derzeitigen Standpunkt, das was APOCALYPTICA ausmacht, verschiedene Aspekte und Gegensätze unserer Musik. Bei „Life Burns!“ könnte man sich zum Beispiel denken, dass das Ganze von Gitarren gespielt wird, so ist es aber nicht und wir möchten die Menschen dazu erziehen, dass sie kapieren, dass das Cellos und nicht Gitarren sind, wie man es normalerweise gewohnt ist. Andererseits findet man auf dem Album wieder Stücke wie „Deathzone“ und „Ruska“, die den klassischen Cellosound präsentieren. Und diese Gegensätze sind APOCALYPTICA.

Was mich noch interessieren würde...Wieso gibt es zu „Betrayal/Forgiveness“ einen Text, aber keinen Gesang?

Also das ist ein ganz eigenes Projekt von Perttu. Teilweise hört man ja so ein Gekrächze auf dem Lied. Das kann man mit einem speziellen Trick mit dem Cello erzeugen. Und wenn man nicht so genau darauf achtet, könnte man meinen, dieses Gekrächze sei der Gesang von irgendeinem Frontmann einer Death-Metal Band. Das Lied ist also als eine Art „Verar***ung“ an all diese Bands gedacht.


Viele finnische, oder überhaupt nordische Bands behaupten, dass sie sich der härteren Musik zugewandt haben, weil die Winter so kalt und lang sind. Was ist deiner Meinung da dran?

Dir als Finnin kann ich es ja sagen: Das ist ein sehr gutes Klischee, das kann man gut an die Presse verkaufen. Man sagt einfach: „Ja, in Finnland ist es so dunkel und hoffnungslos, dass man so depressiv wird, dass man düstere Musik machen muss.“ Aber wie hört sich das für dich an? Nicht unbedingt überzeugend, oder? (*lacht*)

Stimmt allerdings. Aber ihr habt ja da zum Beispiel schon ein Stück, dass ziemlich stark darauf hinweist, dass ihr euch doch von Jahreszeiten beeinflussen lässt, ich rede also von „Ruska“(ruska= Zeit im Herbst, in der die Blätter auf den Bäumen rot werden)?

Ja, aber unsere Songs sind zum größten Teil „absolute“ Musik, das heißt, sie müssen nicht unbedingt von etwas erzählen, vielleicht entstehen ein paar aus irgendeinem Gefühl oder Ereignis heraus, aber bei uns gibt es keine Grundregel, dass die Stücke unbedingt auf so einer Grundlage basieren müssen. Oft ist es so, dass die Titel erst nach dem Aufnehmen und einen Tag vor der von der Plattenfirma gesetzten Deadline entstehen. Natürlich versucht man dann einen Namen zu finden, der ein wenig die Stimmung des Liedes beschreibt und was einem selbst einfällt, wenn man es hört, aber es darf auch kein Titel sein, der zu viel verrät, weil sonst der Fantasie des Zuhörers zu viele Grenzen gesetzt werden. „Ruska“ ist aber eben so ein Titel, der ziemlich gut zu dem Lied passt, wenn man sich die Landschaft von Lappland im Herbst vor Augen führt, diese Weite und die schönen Farben der Landschaft.

Sind eure letzten Promobilder auch in Lappland gemacht worden?

Nein, für die waren wir in der Nähe von Forssa in einem Nationalpark, dort war vor kurzem ein großer Waldbrand, deshalb sind manche Bilder bewusst so dunkel. Am selben Tag haben wir dort das Video für „Bittersweet“ gedreht.
Die Bilder sind aber meiner Meinung nach wirklich ziemlich gut geworden und auch nicht zu „poser“haft. Viele Metal-Bands wollen pseudoböse ausschauen was, finde ich, extrem kindisch und lächerlich ist. Ich meine, wenn Fotographen von uns solche Bilder haben wollen, machen wir sie auch, aber wir machen sie immer mit einem Zwinkern im Auge und lachen nachher darüber, es ist wie auf der Bühne wenn wir so das Gesicht verziehen (*versucht wie der Teufel persönlich eine Grimasse zu schneiden*), was ja auch zum Teil wichtig ist, damit wir ein gewisses Image aufrechterhalten können. Es ist wie das Ying Yang, man muss einfach das Gleichgewicht halten können und immer auch die Gegenseite einer Sache betrachten können. Was immer man macht, man sollte es mit Humor tun und das Wichtigste, man muss sich selbst treu bleiben und sich so geben, wie man wirklich ist. Wenn man zum Beispiel auf der Bühne alles spontan macht, und nicht versucht, jemand anderer zu sein, können die anderen deine Kraft spüren. Wir haben bis jetzt 700-800 Gigs gespielt, und die Energie reicht einfach nicht dazu, dass man sich verstellt. Allerdings verlangt es auch ziemlich viel Mut, so wie man ist auf die Bühne zu gehen, man fühlt sich nackt. Es ist wie ein Sprung ins Ungewisse, aber so kann man anderen die größte Menge an Energie vermitteln.


Letzte Frage, die kommt eigentlich von meiner Mutter, die mal einen Auftritt von euch im Fernsehen gesehen hat. Habt ihr eigentlich oft Kopfweh, weil ihr euch so streng an die Metal-Tradition des Headbangens haltet?

Kopfweh nicht, aber Nackenweh, vor allem nach den ersten Gigs. Aber das ist ja nur gutes Training, man bleibt dadurch in Kondition.

Ok, dann danke ich fürs Interview.

www.apocalyptica.com

Autor: Kristina

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Beitrag vom 25.04.2005
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