Interview mit FEAR FACTORY - zwischen Grindcore und Gabba


Die Angstfabrik war letzten Dezember erneut auf Europa-Tour. Grund genug für mich, die Reise nach London auf mich zu nehmen und ein Interview mit ihnen zu führen. Diesmal stand mir Drummer Raymond Herrera für mehr als 45 Minuten Rede und Antwort.

Hallo Raymond! Wie geht es dir?

Danke gut, bin etwas müde. Wir sind nun das ganze Jahr auf Tour, seit Jänner 2004 sind wir fast ununterbrochen unterwegs. Ich war insgesamt nur 6 Wochen zu Hause in dieses Jahr. Aber es war gut, so lange zu touren, da wir jede Menge neue Fans getroffen haben, die mit uns und mit dem neuen Album sehr zufrieden waren.

Ich komme nun direkt zum nächsten Punkt: wie sieht es bei euch mit neuen Songs von aus?

Wir haben bereits einige Songs geschrieben und hoffen, dass wir Ende Jänner 2005 bereits ins Studio gehen, um das Album im Juli veröffentlichen zu können. Die nächste Tour sollte dann im Mai oder Juni beginnen. Keine drei weiteren Jahre bis wir wieder ein Album veröffentlichen.
Übrigens, diese Tour im Dezember war nicht geplant, wir wollten schon an neuen Songs arbeiten als wir gefragt wurden, ob wir nicht eine 1-2 Wochen-Tour in Europa machen wollen.


Wie weit sind die neuen Songs schon fertiggestellt?

Bis dato haben wir die Gitarren und Drumparts für sieben Songs fertig. Die Lyrics und die Gesangslinien sind noch nicht fertig. Es wird ein paar schnelle Nummern, ein paar Mid-Tempo Songs und einige wenige langsame Titel geben.

Wie komponiert ihr die Songs?

Christian und ich komponieren die Songs. Wir treffen uns und er spielt mir ein paar Riffs vor – ich habe entweder meinen Drumcomputer dabei oder wir sind im Proberaum und ich kann meine Ideen gleich auf dem Drumset umsetzten.

„Slave Labour“ ist eigentlich auch so entstanden oder? Christian hat den Drumbeat am Computer programmiert...

Nein ich hab es auf dem Drumcomputer programmiert und ich musste es danach auf meinem Drumset umsetzen. Wenn du Sachen auf dem Computer komponierst, hast du Ideen, die du sonst nicht hättest, weil man diese Sachen anfangs am richtigen Drumset gar nicht spielen kann. Es ist eine andere Art Drumparts zu komponieren. Für „Slave Labour“ habe ich ein paar Wochen gebraucht, ehe ich ihn spielen konnte – und bei den neuen Songs ist es nicht anderes – ein paar Parts kann ich im Moment auf dem Drumset noch nicht spielen.

Bei der letzten Tour in Deutschland gab es einige Probleme mit den Promotern, kannst du mir näheres diesbezüglich sagen?

Oh, es gab Probleme? Wirklich? Ich wusste nichts davon. Wir hatten Anfragen für mehrere Konzertermine, wollten aber nur eineinhalb Wochen in Deutschland touren, um dann nach Hause fliegen und am neuen Album arbeiten zu können.

Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein?
KoolArrow Records


Billy Gould und ich haben ein Label und wir werden nächstes Jahr ein paar Alben veröffentlichen.

Side Projects?

Nein, ich habe kein fixes Side Project. Es gibt Gespräche mit PHOBIA, dass ich die Drums für ihr nächstes Studioalbum einspiele, das hoffentlich über Nuclear Blast veröffentlich wird.

BRUJERIA / ASESINO

Ich spiele bereits seit zwei Jahren nicht mehr bei BRUJERIA, bei ASESINO hab ich nur das 1. Album aufgenommen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Dino bereits ein neues Album aufnehmen soll, aber ich weiß nichts Genaueres darüber.

KUSH

In Jänner haben wir das nächste Treffen. Christian spielt nun Gitarre mit Stephan (Carpenter – DEFTONES Anm.) und als Bassist konnten wir Fieldy von KORN anheuern. Wir haben bereits 20 Songs aufgenommen, insgesamt haben wir über 30 Songs geschrieben. Im Jänner werden wir ein paar neue Songs schreiben.

Und wie sieht es vertraglich aus mit KUSH. Christian sagte mir beim letzten Interview, dass Stephen von seinem Label Maverick kein Grünes Licht bekommen hat.

Ja das stimmt, wir hatten bereits einen Deal mit Sony/Columbia, aber so wie es aussieht wird das KUSH Album über Warner/Maverick veröffentlich und somit dürfte es keine Probleme mehr geben.

Dein Label bereitet dir diesbezüglich hoffentlich keine Probleme?

Nein, überhaupt nicht. Es gibt in unserem Vertrag eine Klausel, die uns ermöglicht bei jedem beliebigen Projekt mitzumachen.

Für „Archetype“ gibt es bereits drei gut produzierte Videos, bei „Digimortal“ hingegen war es nur ein Video, das offensichtlich nicht über ein großes Budget verfügte. Hat euer neues Label mehr Geld für solche übrig?

Wir sind nicht mehr bei Roadrunner. So einfach ist das. Roadrunner wollte kein Geld mehr in FEAR FACTORY investieren. Vor dem Album gab es eine Vereinbarung über drei Singles und drei Videos. Nach dem ersten Video ließ uns Roadrunner fallen. Das neue Label hingegen glaubt an uns. Sie sind mit den Verkäufen zufrieden und wollen mehr daraus machen.
Als das Album fertig war und wir dem Label mitteilten, dass wir „Cyberwaste“ als ersten Single haben wollen, waren sie etwas überrascht, denn sie hatten damit gerechnet „Archetype“ zu veröffentlichen. Schlussendlich respektierten sie unsere Entscheidung und ließen uns das Video drehen. Roadrunner hingegen hätten das niemals gutgeheißen. Ich war lange genug bei Roadrunner und ich weiß wie die Sache läuft. Diesmal war es komplett anders. Wir haben das Studio selber ausgesucht, wir hatten keinen Produzenten – bei Roadrunner mussten sie ein passendes Studio für uns finden, einen passenden Produzenten, das Ganze würde viel viel länger dauern usw.


Apropos Studioaufnahmen, ich habe mal gelesen, dass bei „Demanufacture“ alle Tom-Parts aus versehen gelöscht wurden.

Viele Drumspuren wurden gelöscht. Colin Richardson, unser damaliger Produzent hatte die Drums abgemischt, aber wir waren mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Wir suchten einen anderen Produzenten und schickten ihm die Files, aber plötzlich sind einige von ihnen verschwunden. Es waren zwar die Signale der Mikrofone da, die Sounds waren jedoch weg. Somit mussten wir Triggersound verwenden, damit wir überhaupt eine Schlagzeugaufnahme hatten. Es war echt mühsam, aber das Ergebnis von Rhys Fulber kann sich echt sehen lassen.

Welche Endorsement-Verträge hast du?

Einige: DVS, Zyldian, Tama, ProMark, Attack Drumheads, Pintech. Ich verwende noch DW Fußpedale, zwischenzeitig habe ich Iron Cobra verwendet.

Welche Becken verwendest du?

2 Crash Becken: 18 Zoll, manchmal 19 Zoll falls Zyldian keine lagernd hat. 1 China, 2 China Splash.

Wie hast du eigentlich mit dem Schlagzeugspielen angefangen?

In der Highschool. Ich wollte nicht so wie jeder Drummer einen Takt spielen, ein Tom-Break und danach wieder einen Takt, sondern ich wollte eher wie ein Drumcomputer klingen und ungewöhnliche Beats spielen. Ich kann zwar Toms spielen aber sie inspirieren mich nicht. Ich mag da eher die Double Bass. Auf der neuen CD wird es etwas mehr Toms geben, da Christian ein paar Riffs komponiert hat, die nach Toms verlangen.

Was denkst du über andere Drummer?

Es gibt da ein paar die ganz schnell spielen können. PANZERCHRIST, Wahnsinn! Insbesondere die europäischen Schlagzeuger sind besonders schnell. Nick Barker zum Beispiel. Es gibt da noch eine Band aus Polen – DECAPITATED. Der Schlagzeuger ist gerade mal 19. Er ist wahnsinnig gut.

Kevin Talley?

Oh ja er ist auch verdammt gut. Sehr gut sogar..

.. aber nicht gut genug für SLAYER

Well... Whatever............. sie haben mich auch mal gefragt. 1993 als Lombardo ausgestiegen ist, und auch vor 3 Jahren haben sie mich gefragt, ich habe aber nicht zugesagt.

Die richtige Entscheidung!

Die richtige Entscheidung.... was ist für mich wichtiger? Dass die Band bekannter ist oder wie viel Mitspracherecht ich bei ihnen habe. Ich liebe SLAYER und könnte die Songs nachspielen aber ich liebe es Musik zu schreiben, deswegen bin ich bei FEAR FACTORY. Weiters würde ich jederzeit aus SLAYER rausfliegen, sobald Dave Lombardo sich entschließt, der Band wieder beizutreten. Und nun ist er wieder dabei. Ich bin sehr gut mit ihnen befreundet und kenne sie schon seit Jahren, aber mitspielen würde ich nicht bei ihnen.
Zurück zum Thema: Geschwindigkeit ist für mich nicht alles, viel wichtiger ist, seinen eigenen Stil zu kreieren, der etwas besonderes ist und wo jeder erkennt welche Drummer das ist.


Welche Musik hörst du privat?

Alte NAPALM DEATH, DECAPITATED und jede Menge Grindcore. Ich höre viel von diesem Zeug, damit ich die richtige Stimmung fürs neue Album habe.

Also kein SCOOTER mehr?

Ah ja SCOOTER. Gefällt dir SCOOTER?

Nein!!

Ich finde sie o.k. Im Vergleich zu den Techno Sachen aus den USA, die absolut mies sind, sind SCOOTER ganz gut. Ich liebe außerdem Gabba und das ganze Terrordome Zeug. Ich mag Techno aus Europa... Metal Gabba wäre der absolute Wahnsinn. An den Drums könnte man sehr viele geniale Beats produzieren, dann bräuchte man eine heiße Sängerin, die gut singen kann.
Das habe ich mal Liam von THE PRODIGY gesagt. Nehmt eine hot Chick in die Band auf, die vorne auf der Bühne herumtanzt und singt. Was macht ihr da mit dem „Spikes – Dude“?
Lach nicht, du weißt genau, dass das die Wahrheit ist. Übrigens hast du schon die neue PRODIGY Platte gehört?


Nein, ist sie gut?

Ich finde sie nicht aufregend. Leider! Die neue RAMMSTEIN CD ist nicht so schlecht.. Ich liebe RAMMSTEIN, die erste CD von ihnen war gut, aber „Mutter“ war .. pfff... diese Soundqualität, ein Wahnsinn.

Kein Wunder, bei diesem Budget und 28 Gitarrenspuren.

Wieviel? 28? Wahnsinn. Bei uns ist das nicht möglich, weil unsere Songs zu schnell sind, wenn du mehrere Spuren übereinander legst und sie ein paar Millisekunden verschiebst, klingst bei einer großen Spurenanzahl nicht mehr optimal. Wenn man zu tight spielt und alles übereinander legt, gibt es überhaupt keinen Effekt.

Welche Software verwendet ihr?

Logic

Nehmt ihr selber auf, oder habt ihr einen Assistenten?

Bei der letzten Studioaufnahme hatten wir einen Assistenten, Ken Marshall. Er ist verdammt schnell. Sobald einer von uns mit der Aufnahme fertig war, hatte er schon alles im Computer fertig, keine Zeit ging für irgendwelche Zwischenschritte verloren.

Wie wurde das Schlagzeug aufgenommen?

Mit jede Menge Mikrofone. Wir hatten 19 Mikrofone überall im Raum positioniert. Bei der Bass-Drum hatten wir drinnen, außerhalb und auf der anderen Seite ein Mikrofon. Es lagen jede Menge Kabel herum. Als es zum Abmischen kam, hatten wir viel mehr Möglichkeiten zum Abmischen, da wir über so viele Spuren verfügten.
Zu den Drumsounds: ich habe jede Menge Drumsounds - diejenigen von „Demanufacture“, „Obsolete“ und jede Menge Trigger Sounds. Diese Sounds wurden dann mit dem natürlichen Sound zusammengefügt und so bekam ich einen komplett anderen Klang.


Wann kommt endlich eine Live-DVD von euch?

Wir hatten schon die Idee für eine Live-DVD. Das Problem ist, dass wir auch alte Songs spielen müssen, und die Rechte für diese hat unser alter Gitarrist. Wir dürfen sie zwar live performen, aber wir dürfen keine Tonträger verkaufen, die diese Songs beinhalten. Wir haben ein paar Verträge abgeschlossen als wir uns entschlossen haben, mit FEAR FACTORY weiterzumachen und Dino bekommt weiterhin ein viertel der Einnahmen vom Merchandise und von den alten Alben.

Seid ihr noch bei Blue Grape unter Vertrag?

Ja, aber wahrscheinlich nicht mehr lange.

Das ist gut so, denn die Merchandise Preise sind nicht besonders human!

Ja, wir wissen es und werden versuchen, das Merchandising selber zu vertreiben und nicht wieder über eine extra Firma, die viel Geld damit verdienen will.

Ganz eine andere Frage: gibt es noch Herreraproduction.com?

Ja, ich werde demnächst 2 neue Mitarbeiter anstellen. Wir machen Musik und Sound für Computer Spiele. „Mislief Invasion“ war unser letzter Release. Geplant ist noch ein Video-Game Soundtrack, der in Japan veröffentlicht werden soll - es steht uns noch einiges bevor.

Woher nimmst du die Zeit?

Ich bin seit 1,5 Jahren geschieden und habe nun etwas mehr Zeit. Sie wollte, dass ich öfter zu Hause bin, aber das ließ sich nicht vereinbaren.

Wie stellst du dir deine Zukunft in 5 Jahren vor?

Noch immer mit FEAR FACTORY unterwegs, ich möchte bis 40 mit FEAR FACTORY weitermachen, ich habe also 9 weitere Jahre vor mir. Danach werde ich mit der Production Company weitermachen – Movie Soundtracks, Ringtones etc. Seit 1995 bin ich Kontakt mit der Video-Industrie, seit dieser Zeit habe ich Kontakte knüpfen können.

Wird es ein Remix-Album zu „Archetype geben?

Wir wollte zu Weihnachten ein Remix-Album veröffentlichen, aber unser Label wollte „Archetype“ weiter promoten und hat noch die dritte Single vor kurzem veröffentlicht.

Wie oft wurde „Archetype“ bis jetzt verkauft?

In den USA sind es ca. 150.000 und wie viele es in Europa waren, werde ich heute von Roadrunner erfahren.

Warum spielt ihr so oft mit MNEMIC in Europa?

So oft war es nicht, die letzte Tour und diese. Christian und ich mögen diese Band und deshalb sind sie mit uns auf Tour.

Was ißt du gerne?

Mexican Food.

Also Scharfes Zeug…

Nein, ich esse nicht scharf... ich mag es, nicht zu essen und gleichzeitig zu schwitzen. Aber ich muss dir gutes mexikanisches Restaurant zeigen, falls du mal in L.A. bist.
Das Englische Frühstück ist auch ganz gut. Heute morgen war ich drei mal beim Buffet. (Anm. Englisches Frühstück besteht aus Bohnen, Hush Brown, Spiegeleiern und gebratenen Würstchen).
Die Bohnen waren ganz lecker.


Wie hälst du dich in Form?

Ich gehe gelegentlich ins Fitness Center, versuche weniger zu essen... ich versuche es zumindest... ja..

.. und du spielst Schlagzeug..

..genau ich spiele Schlagzeug, ich muss essen, damit ich genug Energie habe...

Mittlerweile waren zwei drittel der Band anwesend und die Bandmembers fingen an sich gegenseitig ins Wort zu fallen und zu verarschen.
Zum Abschluss: was möchtest du unseren Lesern mitteilen?

Ich muss nun X-Box spielen gehen! *gg * Danke für die Treue und ich hoffe, man sieht sich bei der nächsten Tour.


Nach dem anschließenden Smalltalk und Herumalbern mit der Band war es an der Zeit, nach fast einer Stunde den Backstageraum zu verlassen. FEAR FACTORY haben wieder einmal bewiesen, dass sie eine offene und bodenständige Band ohne Berührungsängste sind.

www.fearfactory.com

Autor: Marin

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Beitrag vom 13.01.2005
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