Interview mit SOULFLY - Im Auge des Tornados


Alle sind genervt, Promoter hetzen durch die Gegend, Reporter stehen gelangweilt da, Gloria Cavalera lässt alle ihre Authorität spüren, einzig der Mittelpunkt dieses wirren Drunter und Drübers bleibt gelassen und cool: Max Cavalera. Den Sänger, Gitarristen und Bandchef von SOULFLY scheint es überhaupt nicht zu kümmern, dass der Bus, der eigentlich um 17 Uhr hätte ankommen sollen, erst knapp eine Stunde vor Konzertbeginn in der Wiener Neustadt angekommen ist. Im Gegenteil: er möchte bitte nur kleine Round Tables, maximal drei Journalisten. Ollas gmiadlich…
Und so werden zwei Kolleginnen der schreibenden Zunft (deren Fragen ich mir hier unter „Kollegin“ zu führen erlaube) und ich als letztes in den Tourbus gebeten, um unsere Fragen zu stellen. Aber gemütlich. Zuerst stellt man sich gegenseitig vor, nimmt Platz, fühlt sich fast wie zu Hause. Gloria – Max’ Frau und Managerin - macht durch ihre Hektik gleich allen klar, dass die Zeit knapp ist, Max hingegen erweist sich als der gemütlichste und freundlichste Mensch, den man sich überhaupt vorstellen kann. Außerdem weißt sie drauf hin, dass wir ja nichts über SEPULTURA fragen sollen und er beginnt gleich bei der zweiten Frage aus dem SEPULTURA-Nähkästchen zu plaudern. Tja, what comes around, goes around… und so kommt alles ins Rollen.


Ein total sonnenverbrannter Earshotler und ein etwas blasser Brasilianer...

Earshot: Ihr hattet ja eine ziemlich anstrengende Reise hab’ ich gehört?


Max: Ja, wir sind aus Paris gekommen.


Earshot: Wie viel Stunden seid ihr alles in allem gefahren?


Max: Zu viele… es gab lauter Probleme und wir mussten Fahrer wechseln, wir mussten einen extra aus Schweden nachkommen lassen, weil der andere nicht die ganze Zeit durchfahren konnte. Aber ich bin froh, dass wir es rechtzeitig geschafft haben, zur Show und zu den Interviews. Nach euch muss ich mich ja gleich auf die Show vorbereiten.


Earshot: Na dann werden wir uns beeilen. Was mich gleich als erstes interessieren würde ist, auf eurer neuen CD hast du ja einige neue Musiker und von ihnen ist mit Sicherheit Dave Ellefson (Bassist, Ex-MEGADETH, Anm.) der bekannteste. Einige Leute wird sicher interessieren, wie groß sein Einfluss auf das neue Material war.


Max: Nicht groß. Denn als ich ihn anrief, fragte ich ihn eigentlich nur, ob er einmal im Studio vorbeischauen will, ich weiß ja, dass er SOULFLY-Fan ist. Und da fragte ich ihn dann, ob er auf einem Song spielen will und er antwortete „sicher“. Es wurden dann vier Songs und der beste Part war beim Song „Mars“, wenn der heavy Part in den Flamenco Teil übergeht. Das war so richtig MEGADETH mit all diesen Noten, bei denen Daves Hände über das ganze Griffbrett fliegen und ich dachte „Wow, das ist wirklich cool, pretty exciting…“ Ich könnte das nicht machen (lacht).


Earshot: Trotzdem wirkt es seltsam, dass Dave bei euch spielt. Immerhin haben MEGADETH, mit denen Dave bekannt geworden ist, immer sehr straight gespielt und SOULFLY ist sehr rhythmisch orientiert, mit all den Latin-Einflüssen.


Max: Ich habe ja schon immer gern mit verschiedenen Musikern zusammengearbeitet und sie haben sich immer wohl gefühlt. Auch wenn sie in einem ganz anderen musikalischen Umfeld zu Hause waren, haben sie es immer geschafft, sich bei uns passend einzufügen. Zum Beispiel Tom Araya von SLAYER. Wir haben ja gemeinsam einen Song aufgenommen und du hörst seine Stimme, aber du weißt, es ist ein SOULFLY-Song. Oder Christian von ILL NINO. Es war immer sehr cool. Dave war zu der Zeit nicht bei MEGADETH und hatte eigentlich sonst nichts zu tun und es hat sich einfach sehr gut ergeben. So als „no-type-of-stress“-Jam, und so geschieht vieles bei uns. Schon ernst, aber ohne diese Verbissenheit.


Kollegin: Kommt diese Einstellung vielleicht durch deine lateinamerikanische Herkunft?


Max: Könnte sein… Könnte sein. In Brasilien setzen wir uns alle gern zusammen und gehen die Dinge etwas lockerer an. Ich arbeite mit verschiedenen Musikern seit langer Zeit, seit den ersten SEPULTURA-Alben. Seit „Schizophrenia“. Und dann auf „Beneath The Remains“ hatten wir einige Gastsänger von OBITUARY, ATHEIST und INCUBUS (die Death Metaller… nix mit Brandon Boyd; Anm.) weil wir das Album in Florida aufnahmen in den Morrissound Studios und selbst zu dieser Zeit, als es bei Metal Bands nicht üblich war, Gastaufnahmen zu machen, hatten wir das bereits und fanden das cool. Und das wird wohl das brasilianische Blut sein.
Wir haben aber nicht nur keine Berührungsängste mit anderen Musikern sondern auch mit anderen Musikstilen. Death Metal, Hardcore, Reggae, World Music, Percussion, alter Metal wie SLAYER oder BLACK SABBATH und deswegen war ich auch total glücklich als ich mit Ozzy, einem meiner absoluten Helden, arbeiten durfte.



Kollegin: Was bedeutet Musik für dich?


Max: Wirklich ALLES! Weißt du, manchmal ist es so schlimm, dass es die Leute rund um mich nervt. Die kennen mich und verstehen das… trotzdem geht es ihnen auf die Nerven (lacht). Ich habe aber das Gefühl, dass mein Sohn, der jetzt acht Jahre alt ist, den selben Weg einschlägt und das erschreckt meine Frau und meine Familie ziemlich (lacht).


Kollegin: Glaubst du, er wird in deine Fußstapfen treten??


Max: Es scheint so. Der ältere, Zyon, ist mehr auf Sport und Skateboards und so fixiert.


Earshot: Ich glaube, ich habe den anderen aber auch schon auf der Bühne gesehen, voriges Jahr in Wiesen.


Max: Das war Richie. Der älteste. Die anderen sind Zyon, er ist 11 und Igor, er ist 8. Igor hat Diabetes und wir sind wirklich sehr eng, ich habe mit ihm die ganzen Untersuchungen gemacht. Und als er sagte, er will Gitarre lernen, ist meine Kinnlade einfach nur runtergeklappt, weil das ganz von ihm gekommen ist. Ich hätte ihm nie gesagt „du musst jetzt ein Instrument lernen“ oder so.


Earshot: War das mit dir und deinen Eltern genauso?


Max: Ja. Meine Mutter und mein Vater hatten niemals versucht, mich zum Musik machen zu überreden. Mein Vater spielte zwar akustische Gitarre aber er hätte nie gesagt „Hier, lerne!“. Aber nachdem ich einige Konzerte gesehen hatte, wollte ich einfach Gitarre lernen.


Kollegin: Ist deine Familie die ganze Zeit mit dir unterwegs?


Max: Nicht die ganze Zeit, nur wenn es geht. Sie sind jetzt mit mir mit - bis Ende Juni und dann geht’s zurück in die Staaten. Wenn die Kinder Schule haben, bin ich allein unterwegs und sie sind daheim. Ich finde das cool, so können sie wenigstens ein bisschen was von der Welt sehen. In Amerika gibt es so viele Leute, die nur Amerika kennen und das ist traurig.
Sie wissen nichts von der Welt und ich will nicht, dass meine Kinder auch so werden. Und sie kennen ja außer Amerika schon Europa und Brasilien und das ist gut so.



Kollegin: Wart ihr auch in Serbien?


Max: Ja und es war sehr „anders“ und ungewöhnlich. Ich war sehr aufgeregt und gespannt, dorthin zu fahren. Serbien ist wirklich ein Abenteuer. Ich meine das gleiche gilt auch für andere Länder in Osteuropa, Rumänien zum Beispiel. Viele Musiker touren gar nicht so weit aber es ist sehr aufregend. Nach Belgrad etwa, wo vor Jahren noch Bomben flogen; sehr beeindruckend diese Stadt jetzt zu sehen. Ich bin sehr froh, dorthin gefahren zu sein.


Kollegin: Und was war das Beeindruckendste?


Max: Dass sie die beschädigten Gebäude nur sehr provisorisch restaurieren, das gibt einen sehr eigenen Eindruck. Und ich war dort beim Zahnarzt und das war sehr lustig, denn das erste was du bekommst ist ein Stamperl Vodka (lacht) und als ich betrunken heimkam fragten sie mich, wo ich gewesen bin und ich sagte „Beim Zahnarzt“ und alle begannen zu lachen und meinten „No way!“. Aber ich mag das am Reisen, wenn du wirklich die Kultur erlebst.


Earshot: Also versuchst du wirklich mit den Leuten auf Tuchfühlung zu gehen.


Max: Ja, auf jeden Fall. Ich gehe auch oft in der Gegend rund um den Veranstaltungsort spazieren und hoffe, dass es nicht gefährlich wird, weil ich in the wrong neighboorhood bin. Aber das war nie der Fall. Manchmal haben mich Leute schon in deren Sprache angeschrien, aber ich ging einfach weiter. Einmal bin ich zum Beispiel aufgewacht und alle schliefen noch, also ging ich einfach spazieren und kam dann zu so einem Bazar und so kommt man immer wieder an coole Orte. In Indonesien etwa bin ich einmal in so ein Ghetto gekommen und es sah dort schrecklich aus und ich dachte „Oh jetzt wirst du sicher umgebracht“ aber die Leute dort waren echt nett. Ich mag es also diese Seite eines Landes auch zu sehen, nicht wie die meisten Rock Stars, die nur im Bus und im Hotel bleiben wollen.


Earshot: Aber ist das nicht problematisch, weil du ja doch recht bekannt bist? Ich meine, die, die dich ansprechen, wollen sicher ein Autogramm oder so weil du ja DER Max Cavalera bist.


Max: Nein, für die meisten bin ich einfach nur some crazy fuckin retarded tourist (lacht).
Als wir in Serbien durch die Provinz fuhren, hatte ich das Gefühl, dass die Welt stehen geblieben war. Die wussten nichts über Irak oder was gerade los ist. Dort gibt es diese Mönche mit den langen Bärten und die haben ihr Kloster mitten im Nichts und das ist ihre Welt. Das war erstaunlich. Wenn ich jemals genug hab von allem, dann gehe ich dort hin (lacht).



Kollegin: Du hast einmal gesagt, du bist der Bob Marley des Metals.


Max: (Lacht) Wäre ich wohl gern gewesen… Er bedeutet mir viel, aber ich möchte nicht der „Bob Marley des Metals“ sein. Das mag ich an vielen Bands nicht: Man hört sie und meint „das werden die nächsten was auch immer sein“. Das hab ich schon immer gehasst. Bei SEPULTURA hat es damals Leute gegeben, die meinten „die werden die nächsten METALLICA“ und ich habe das gehasst, denn METALLICA sind toll, aber die sind die und wir sind wir.


Und nachdem Gloria schon die ganze Zeit nervös hinter uns herumgefuchtelt hat und Max sie bis dahin immer wieder mit einer Handbewegung besänftigen hat können, ist es nun plötzlich aus, das Interview. Noch kurz ein paar Fotos beziehungsweise Sätze auf’s Band für’s Radio und dann war’s das.
Eine äußerst charismatische Persönlichkeit auf jeden Fall, der Max, nicht nur ein angenehmer Interview-Partner, sondern wirklich jemand, dem man auf die Schulter klopfen möchte und sagen „Hey Buddy, what’s up, you wanna join our party after the show?“.









www.soulfly.com

Autor: Kronos

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Beitrag vom 26.09.2004
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