Interview mit HATEBREED - Über Messages, Fans und kranke Japaner


Einer der Top-Aufsteiger der letzten Zeit haben mit ihrem neuen Album "The Rise of Brutality" bewiesen, dass sie zu den absoluten Top-Acts der Hardcore/Metalcore-Richtung zählen. So ließen wir uns nicht die Möglichkeit nehmen, mit einem ungemein höflichen und motivierten Jamey Jasta ein kleines Pläuschchen einzulegen. Also begrüßten wir ihn mit anderen Interviewern am runden Tisch:

Runder Tisch: Was können wir heute von euch und eurer Show erwarten?


Wir haben unsere 45 Minuten, unsere Songs sind relativ kurz. Also es wird 45 Minuten puren Hardcore-Metal geben, ohne akustische Parts und so (lacht).


Rt: Lass uns über eure neue CD „The Rise Of Brutality“ reden. Sie ist ziemlich hart geworden, und auch die Lyrics sind ziemlich brutal. Gibt es irgendeinen Grund, weshalb das Ganze so hart ausgefallen ist? Einflüsse?


Naja, „Perseverance“ geht mehr in Richtung Thema Individualität und Sich-um-sich-selbst kümmern, das Album handelt mehr von der Welt generell, die mich jeden Tag umgibt. „The Rise Of Brutality“ spricht über beides, auch über die Welt, Armut, über Korruption, Ungerechtigkeit, aber auch über die Musik, wie sie ein Zufluchtsort ist für die Fans, um negative Energien loszuwerden, wenn gespielt wird.


Zurück zu den Lyrics. Diese sind ja größtenteils sehr positiv, weshalb ihr von manchen Leuten auch als „Posicore“ bezeichnet werdet…


Ja (schmunzelt).


…findest du, dass die Lyrics nur quasi eine Draufgabe zur Musik bzw. vice versa ist, kann man diese Sachen trennen, oder wie siehst du das?


Weißt du, durch die Lyrics verbleiben wir quasi in der Hardcore-Szene, obwohl wir musikalisch sehr vom Metal beeinflusst sind, und mit HATEBREED gibt es für die Leute überall eine große Verbindung zu den Texten. Wir kommen nach Japan, hierher, Kanada und die Leute haben sich unsere Lyrics irgendwohin tätowiert. Es ist mehr als nur Musik, es ist wie eine Bewegung, was wir durch unsere Musik eigentlich ausdrücken wollen.
Aber natürlich gibt es auch andere Fälle. Länder, wo die Leute etwa nicht so gut Englisch sprechen. Dort gibt es welche, die nur die Musik interessiert…



Hast du Probleme damit, wenn jemanden nur die Musik interessiert?


Nein. Nein, ich erinnere mich, wir waren mal auf Tour mit SEPULTURA, da spielten wir in Spanien. Und da gaben wir ein Interview, in dem einer sagte: „Ich mach mir nichts aus euren Texten. Ich weiß nicht mal, was ihr so sagt. Ich mag nur den Beat und die Musik.“ Also… (womit sich meine nächste Frage erübrigt hat, Anm. d. Verf.).


Eure Musik ist ja eine Fusion aus Metal und Hardcore, das neue Album geht sogar noch mehr in Richtung Metal. Wo fühlst du dich eigentlich zu Hause? Weil ihr sicher auf beiden Seiten Fans habt.


Ich mag beides. Ich bin aufgewachsen und hab zum Beispiel AGNOSTIC FRONT vor MORBID ANGEL eröffnen sehen. Das war großartig, da war ein gemischter Haufen von Metalheads, Skinheads, Hardcore-Kids und Punkrockers. Und ich war immer Halb-das-Halb-das. Ich geh zu einer Punkshow, Skashow, Death Metal-Show, Black Metal-Show. Es sind alle wegen desselben da, wegen der Musik.
Rt: Wo ist der Unterschied auf einem Festival zu spielen oder eine Headliner-Show zu machen? Wo sind die Vor- und Nachteile?


Auf einem Festival ist die Verbreitung besser. Da sind haufenweise Kids, die möglicherweise noch nie von uns gehört haben oder Leute, denen im Grunde ein anderer Musik-Stil gefällt. Diese können uns da kennen lernen. Bei den Headline-Shows mag ich das Ganze aus eigensinnigen Gründen. Da ist jeder da, um uns zu sehen, da können wir wie viel und was an Merchandise-Sachen verkaufen, wie wir es wollen, können so lange spielen, wie wir wollen, gehen dann raus und unterhalten uns mit den Fans. Bei den großen Festivals ist das schon schwerer.


Rt: Du arbeitest auch als Manager, moderierst eine MTV-Show (Headbangers-Ball, Anm. d. Verf.), hast eine Band. Viel zu tun, was?


Ja, wahrscheinlich hab ich mir ein bisschen mehr aufgehalst, als ich handeln kann, aber ich liebe es, beschäftigt zu sein. Meine anderen Jobs außerhalb der Band helfen anderen jungen Bands und geben ihnen Möglichkeiten.


Rt: Was für Bands oder Leute unterstützt du?


Naja, bei HBB setzte ich mich ein, dass Clips quer durch alle Genres gespielt werden, seitdem das Ganze läuft, verzeichnen die Bands bei den Verkäufen sehr gute Zuwächse. Es wird dann halt 2- bis 3-mal so viel verkauft wie vorher. SHADOWS FALL war ne Band, die 20- bis 30.000 Platten verkauften. Jetzt sind sie so in etwa bei 100.000. Oder europäische Bands wie MNEMIC oder SOILWORK haben auch bei uns Unterstützung erhalten. Das ist schon ein guter Deal.


Rt: Das ist natürlich für HATEBREED auch positiv, wenn du hinter den Kameras zu tun hast. Hat euch das geholfen?


Ich denke, es gibt bestimmte Leute, die HATEBREED hören. Klar hat es uns geholfen, da unsere Videos gespielt wurden. Das war nicht immer so. Bei „I Will Be Heard“, was wir für den Soundtrack zu „xXx“ gemacht haben, hat man uns gesagt, MTV würden das definitiv abspielen. Tja, dann haben sie’s ein einziges Mal um vier Uhr in der Früh gespielt. Bis jetzt haben wir ein Video gemacht, zwei werden dieses Jahr folgen. In den Staaten wird sich die CD 400.000 Mal verkaufen. So gesehen hat es wahrscheinlich geholfen.


Rt: Hättest du dir vor ein paar Jahren gedacht, dass diese Art von Musik derart populär werden würde. Wo es Bands wie MANSON, SLIPKNOT oder KILLSWITCH ENGAGE gibt. Vielleicht auch wegen eines bestimmten Images? Gibt es ein Image bei HATEBREED?


Weißt du, alles ist ein Image. Egal ob du KISS oder nur ein Typ mit einer Baseball-Kappe bist. Leute haben einen Bezug zu uns wegen unserer Normalität. Aber… als wir angefangen haben, habe ich alles mit SLAYER verglichen. Ich dachte mir: „Wenn SLAYER diese Veranstaltungen ausverkaufen können, machen wir das auch vielleicht eines Tages.“ Oder wenn SLAYER so viele CDs verkaufen, können wir das vielleicht auch eines Tages. Als SLIPKNOT auftauchten, dachte ich mir, das ist gut für den Metal. Die sagen, yeah, wir mögen SLAYER, wir mögen MORBID ANGEL, aber wir mögen auch JANE'S ADDICTION, andere Rockgruppen oder DEFTONES und KORN. Das war sicher ein guter Weg für Mainstream-Kids, Underground-Band kennen zu lernen.
Aber soweit es HATEBREED betrifft, habe ich nie das Bedürfnis gehabt, mich irgendwie speziell zu kleiden, wie ein Punkrocker oder whatever, ich renn mit denselben Klamotten seit 15 Jahren rum (lacht).



Auf eurer aktuellen CD widmet ihr Songs Hardcore-Legenden wie AGNOSTIC FRONT oder MADBALL. Heute werdet ihr im selben Atemzug mit diesen Bands genannt. Könntest du dir vorstellen, wieder in einer Undergroundband zu zocken und jede Woche vor 100-200 Leuten zu spielen? Oder gewöhnt man sich irgendwann an den Status, den man hat?


Zurzeit spiele ich in einem Side-Project mit: ICEPICK. Es ist nur so ein Side-Project, aber ich freue mich sehr darüber. Mit HATEBREED wurde es natürlich immer schwieriger, kleine Shows zu spielen, als wir größer wurden, schon wegen Versicherung, Haftbarkeiten, Kids, die verletzt werden könnten. Ich fänd’s cool, 200-Leute-Gigs in den Staaten zu spielen… Gestern haben wir vor 200 Leuten in der Tschechischen Republik gespielt, und es war echt klasse, aber ich hab da Leute gesehen, die wirklich schwer verletzt wurden. Weißt du, ich möchte nicht, dass jemand ins Krankenhaus muss, weil er ernsthaft verletzt wurde.


Rt: Es gibt ja viele Bands, die versuchen einen Record-Deal zu bekommen. Kannst du diesen Bands Tipps geben?


Eigentlich habe ich erst im U.K. eine Kolumne darüber geschrieben (lacht). Zum Beispiel habe ich jetzt wieder vier Demos bekommen, und ich geh sie auch alle durch. Aber was mich echt verrückt macht, ist, wenn da nichts draufsteht, kein Name, nichts. Wenn ich da reinhöre und mir denke, das ist echt gut, und dann ist kein Name, keine Nummer drauf. Es ist wichtig, so etwas draufzuschreiben, du solltest außerdem eine nette Bio haben, professionelle Fotos. Und nimm’ nichts auf, bevor du nicht ein paar hundert Dollar für ein ordentliches Studio hast. Ich denk mir immer: Wenn du dir nicht die Zeit nimmst, dass dein Demo halbwegs gut klingt, warum sollte ich mir die Zeit nehmen, das anzuhören. Wenn die Leute einen Aufwand machen, mache ich einen Aufwand. Die Bands müssen draufkommen, dass, wenn sie eine Karriere haben wollen, sie eine Art Professionalität mitbringen müssen.


Rt: Wie kamst du auf die Textzeile „if you don’t live for something, you’ll die for nothing“?


Da war ein Typ, der für BIOHAZARD gearbeitet hat. Sein Name ist Marc, er war ein alter Polizist und sah die Korruption im ganzen Exekutivsystem. Er meinte, „Perseverance“ hat ihm in seinem Leben sehr geholfen. Er konnte sich dadurch wieder mehr auf Musik und BIOHAZARD und so konzentrieren. Da sagte er mal: „Ich würde sterben, wenn ich die Musik nicht hätte. Deshalb lebe ich.“ Das hat mich dann voll erwischt und ich meinte: Daraus mach ich `nen Song. Er sagte dann weiter, er möchte FÜR etwas leben. Er möchte nicht ins Grab gehen, ohne für etwas gelebt zu haben, wovon er geträumt hatte.


Rt: Gibt es Unterschiede zwischen europäischen und US-Fans?


Kommt drauf an, wohin du kommst. Manchmal ist es echt fast dasselbe wie in den US. In London dachte ich, ich sei in New York. Da haben die Leute auch das Kickboxing-Dancing gemacht, sind ausgeflippt. In New Jersey zum Beispiel sind jeden Abend Shows, JEDEN Abend, da ist das schon was anderes mit der Anerkennung. Aber als wir in Griechenland spielten, haben uns die Leute buchstäblich gesagt: „Ernsthaft, Leute, ihr könnt nicht gehen. Auf keinen Fall.“ Die haben uns nicht von der Bühne gelassen. Da haben wir dann 3 Stunden gespielt mit Coversongs, Instrumentals, weil die Leute es unbedingt wollten. Also es gibt solche und solche Orte. Das ist ein guter Austausch.


Es gibt verdammt viele Gerüchte über die japanischen Fans…


Oh ja, die sind einfach nur verrückt (lacht). Da gibt es junge Mädchen, die Fotos von uns machen, dann fahren wir zum Hotel. Und da stehen diese Leute vor dem Hotel mit den bereits entwickelten Fotos und wollen ein Autogramm. Da kommen dann auch Typen daher mit Aktenkoffer – und im ersten Moment denkst du dir, das ist ein Mafioso oder so was, der dich gleich umballern will -, die machen dann den Koffer auf, holen Poster und Merchandise-Kram raus und so. Echt verrückt.


Wenn du Songs schreibst, sind da sicherlich viele Emotionen dabei, über Dinge die du erlebt hast oder unter denen du leiden musstest. Wenn du aber die Songs 1000 Mal singst, kann man das dann noch aufflammen lassen, oder entwickelt sich ein gewisser Automatismus?


Wenn ich nach Hause komme und für drei Monate nicht singe, fange ich an, verrückt zu werden, weil ich kein Ventil habe. Mir ist es nur auf Grund der Musik möglich, eine „normale“ Person zu sein. Ich hab mal böse Dinge mit meiner negativen Energie angestellt, jetzt kommt das durch die Musik raus.


Rt: Siehst du deine Familie oft?


Nein, leider. Früher als ich ein Kid war, war’s mir immer peinlich, Leute mit nach Hause zu bringen, weil da ein Haufen anderer Menschen im Haus war. Mit den ganzen Querelen zwischen ihnen und so. Andere Kids in meinem Alter hatten immer große Häuser. Also hab ich mir gesagt, wenn ich mal Kinder habe, kauf ich ihnen ein Haus, was ich bei meiner Tochter auch gemacht habe. Sachen wie diese machen das ganze Wegsein dann wert, weil ich weiß, sie ist in guten Händen.


Gibt es Fragen bei Interviews, die du überhaupt nicht leiden kannst?


Ja, wenn jemand fragt: „Wo/Wann habt ihr angefangen?“ Dann bring ich manchmal einfach die Bio mit zu lesen. Ich denk mir, man sollte zumindest die Band ein bisschen kennen, die man interviewt. Letztens hab ich ein Inti mit VELVET REVOLVER gemacht, und den einen Gitarristen hab ich nicht gekannt, also hab ich mich auch informiert, wo er vorher gezockt hat. Und beim Inti war er dann sehr glücklich darüber, weil kein anderer Interviewer ihn jemals beachtet hat. Alle wollten immer mit Slash, Scott oder Duff reden.


Und schon zog dieser sympathische junge Herr, der von hinten ein bisschen etwas von einem irischen Fußball-Schulmannschaft-Torhüter hatte, von dannen. Next time again...

www.hatebreed.com

Autor: Hansi


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Beitrag vom 25.08.2004
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