Interview mit NIGHTWISH - Mit finnischem Können ab in die Charts!


Am 7. Juni 2004 veröffentlichten NIGHTWISH ihr neues Album, welches den Namen „Once“ tragen wird. Anlässlich dieses Release-Termins sprach ich mit Marco Hietala, dem Bassisten der finnischen Bombast-Metaller. Die Fangemeinde wartet schon gespannt auf den Nachfolger von „Century Child“. Ob er wieder die Charts stürmen wird, steht zwar noch in den Sternen, aber Marco erzählte mir einiges Wissenswertes über die neue Langrille. Mit Hilfe von Zigaretten und Unmengen an Kaffe hielt sich der sympathische Bassist bei Laune, um den Interviewmarathon gut zu überstehen. Nichts desto Trotz erwartete mich am anderen Ende der Leitung ein gut aufgelegter Musiker, der geduldig Rede und Antwort stand.



Meine erste Frage bezieht sich auf euer neues Album „Once“. Kannst du mir bitte etwas über die Aufnahmen beziehungsweise den Entstehungsprozess erzählen?


Bereits letzten Sommer hatte Tuomas (Keyboarder von NIGHTWISH, der Verfasser) die ersten Songs für „Once“ im Kopf und brachte sie in Form eines Acht-Track-Demos in ein erstes musikalisches Gewand. Er lies dem Rest der Band dieses Demo zukommen, damit wir uns die Songstrukturen anhören konnten. Als wir von der Sommer-Tour zurückkamen, legten wir zuerst einmal für eineinhalb Monate eine kleine Pause ein. Danach setzten wir uns mit dem Songmaterial auseinander und arbeiteten daran. Als wir die Lieder überarbeitet hatten, nahmen wir sie auf, änderten abermals Teile davon und gingen im November ins Studio und begannen mit den Aufnahmen. Wir starteten mit den Drums, wechselten in ein kleineres Studio und arbeiteten als nächstes am Gitarrensound. Danach kamen das Keyboard und ein paar andere Elemente dazu. Anfang Februar gingen wir wieder zurück nach Helsinki, um die Vocals einzusingen und die Soli und die Akustikparts dazu zu fügen. Anfang März machten Tuomas und ich die Co-Producing-Arbeit. Als nächstes führten uns die Aufnahmen nach London, wo wir die Orchester-Parts aufnahmen. Ende März fingen wir schließlich an, das Material abzumischen. Es war also ein sehr anstrengender Winter, in dem wir viel arbeiteten. Doch es ist ein großartiges Gefühl, endlich das Ergebnis in den Händen zu halten und es der Öffentlichkeit zu präsentieren.



Du bist also zufrieden mit dem Ergebnis eurer Bemühungen?


Ja, ich für meinen Teil bin sehr zufrieden damit und ich glaube, der Rest der Band ist es auch. Da wir alle sehr viel Energie in die Aufnahmen steckten, sind wir sehr stolz darauf.



Wie teilt ihr die Arbeit innerhalb der Band auf? Wer schreibt die Lyrics und wer ist für die Musik hauptverantwortlich?


Die meiste Arbeit macht Tuomas. Er schreibt alle Texte und auch die meisten Songs. Auf „Once“ entstammt ein Lied aus meiner Feder. Es ist der letzte Track und nennt sich „Higher Than Hope“. Ich steuerte auch ein paar Parts zu „Romanticide“ bei und Emppu, unser Gitarrist, half bei „Siren“ aus.



Zum Thema Lyrics: So weit ich informiert bin, handelt es sich bei „Once“ nicht um ein Konzept-Album. Doch um was geht es in den Texten?


Du hast recht. Es ist dieses Mal kein Konzept-Album geworden, jeder Song hat seine eigene Story. Sie handeln großteils über die menschliche Natur und die dunklere Seite der Welt. Ich glaube, man kann das ziemlich gut heraushören...



Da ich im Besitz der Promoversion von „Once“ bin, muss ich dir eine Frage dazu stellen. Jeder Song wird von einer Stimme unterbrochen, welche sagt: „You are listening to the new NIGHTWISH Album „Once“ and this track is called.…” Diese Unterbrechungen nerven ziemlich. Was ist der Grund dafür?


Aha, du hast also eine dieser Promo-Versionen bekommen. Der Grund dafür ist, dass wir in der Vergangenheit Probleme mit Musik-Piraterie und dem ganzen Zeug hatten. Ich glaube, es war beim „Wishmaster“-Album. Wir mussten den Release-Termin verschieben, da es schon vorher Probleme mit bereits veröffentlichtem Songmaterial im Internet gab. Das mit der Stimme auf „Once“ ist hauptsächlich deswegen, um solchen Vorfällen zuvor zu kommen. Es tut mir leid, da ich dich gut verstehen kann. Es ist sicherlich sehr störend. Aber wir müssen leider darauf achten, dass unsere Musik nicht gestohlen wird.



Meiner Meinung nach gibt es zwar effektivere Methoden, um diesem Problem entgegenzuwirken. Aber es ist soweit o.k. Widmen wir uns nun wieder den musikalischen Aspekten von „Once“. Was sind die größten Unterschiede zwischen eurer neuen CD und dem Vorgänger „Century Child“?


Auf „Century Child“ machte die Band einen Schritt mehr in Richtung hart ausgerichteter Musik. Dieses Mal gingen wir noch weiter. „Once“ glänzt einmal mehr durch hartes, straightes Gitarrenriffing und den dazugehörigen Drum-Sound. Das bringt die Musik in extremere Dimensionen. Auf der anderen Seite stehen Dynamik und Atmosphäre in einem Wechselspiel. Hier kreiert das Orchester den typischen NIGHTWISH-Stil. Wir brachten die verschiedenen Elemente auf „Once“ noch einen Schritt weiter.



Ihr habt mit dem Londoner Orchester zusammengearbeitet. Ist es das erste Mal, dass ihr mit einem richtigen Orchester gespielt habt oder habt ihr bereits Erfahrung damit?


Auf „Century Child“ ist auch schon ein echtes Orchester zu hören. Damals arbeiteten wir mit Finnen zusammen. Tuomas machte sich Gedanken darüber, wie man seine Ideen am besten umsetzen könnte. Er kontaktierte einen Kollegen, welcher die britischen Musiker kannte und einen guten Draht zu ihnen pflegte. Als er die neuen Songs hörte, war er begeistert und war sofort einverstanden, uns zu helfen. Es war seine Idee, mit dem Londoner Orchester zusammenzuarbeiten und er suchte auch das Studio aus. Des Weiteren handelte es sich dabei nicht unbedingt um die billigste Lösung. Doch ich bin davon überzeugt, dass die Investition jeden Cent wert war. Man kann die orchestrale sowie die metallische Seite von NIGHTWISH gut heraushören und das Ergebnis klingt sehr klar. Es gibt einige Stellen auf „Once“, an denen man das Orchester sehr gut heraushört, obwohl die harte musikalische Komponente zu keinem Zeitpunkt zu kurz kommt.



Auf „Once“ gibt es mit „Kuolema Tekee Taiteilijan“ einen Song in finnischer Sprache zu hören. Des Weiteren habt ihr auf einer anderen Nummer einen echten Indianer für eine Textstelle mit an Bord...


Auf „Creek Mary´s Blood“ ist der Indianer zu hören. Tuomas kontaktierte den Mann über das Internet. Er wollte unbedingt eine Nummer über die tragische Geschichte der Indianer schreiben, da er sehr viel darüber las. Es handelt über die weißen Männer, welche den Indianern ihr Land wegnahmen. Um dem Ganzen ein wenig Authentizität zu verleihen, fragte er den Indianer, ob er nicht seinen Teil dazu beitragen wolle. Dieser ist musikalisch nicht unerfahren und so luden wir ihn nach Finnland ins Studio ein. Er singt auf diesem Song in seiner Heimatsprache und machte seinen Job sehr professionell.





Glaubst du, dass wir in Zukunft in den Genuss kommen werden, einen NIGHTWISH-Song in deutscher Sprache zu hören?


Nun, wir haben darüber bereits nachgedacht. Tarja lernt ziemlich viel Deutsch, doch jemand aus der Band müsste den Text übersetzen, da niemand von uns richtig gut darin ist (lacht). Wir können zwar ein paar Wörter, aber das würde nicht für einen ganzen Song ausreichen. Aber es gibt die Möglichkeit, wir sprachen desöfteren darüber.



Die nächste Frage bezieht sich auf euer altes Label Spinefarm Records. Kannst du mir die Gründe nennen, warum ihr diese Plattenfirma verlassen habt?


Es gab keine richtigen Probleme mit Spinefarm. Der Vertrag lief aus und wir hatten die Möglichkeit, das Label zu wechseln. Unsere alte Plattenfirma tat viel für unsere Alben in Finnland. Doch Nuclear Blast bat uns mehr Promotion in ganz Europa an. Wir wählten einfach das beste Angebot aus und das neue Label hat die richtige Größe für eine Band wie NIGHTWISH.



Ihr seid also mit Nuclear Blast so weit zufrieden?


Bis jetzt schon. Wir verbrachten die letzten fünf Tage im Hauptquartier, um Interviews zu machen. Für mich scheint es so, als würden sie wirklich gute Arbeit leisten.



Kannst du mir etwas über das Coverartwork von „Once“ erzählen?


Es wurde von derselben Person gemacht, die bereits die letzten drei Coverartworks unserer CDs bearbeitet hat. Das Cover ist typisch für NIGHTWISH und steht repräsentativ für die Musik auf dem Album.



In der letzten Zeit hat sich privat bei manchen Bandmitglieder einiges getan. Tarja hat geheiratet, du wurdest Vater. Hatten diese Ereignisse Auswirkungen auf die Band? Steht für Tarja und dich nun die Familie im Vordergrund und leidet die Band darunter?


Nein, nicht wirklich. Tarjas Ehemann ist auch im Musikgeschäft tätig und weiß genau, um was es geht. Es hat also keine Auswirkungen auf die Band. Ich hingegen versuche natürlich, meine ganze Freizeit zu Hause bei meiner Frau und meinem Kind zu verbringen. Besonders jetzt, bevor die Tour beginnt und ich sie für eine längere Zeit nicht sehen werde. Doch auch während der Tour, wenn wir mal frei haben, verbringe ich jede freie Minute bei meiner Familie.



In Finnland seid ihr ja regelmäßig in den Charts und ziemlich berühmt. Ist es für dich kein Problem, unerkannt auf der Straße zu gehen oder kommen andauernd Fans und wollen Autogramme von dir haben?


Nein, es ist nicht so schwierig. Ich kann durchaus ausgehen und Freunde treffen, ohne dabei von Leuten belästigt zu werden. Natürlich kommt es immer wieder vor, dass dich Fans erkennen und ein Autogramm haben wollen. Aber das stört mich überhaupt nicht.



Bist du, oder einer deiner Band-Kollegen, in irgendwelchen Side-Projekten involviert?


Tuomas spielt in einigen Projekten nebenbei Keyboard. Ich arbeite auch an einem Metal-Side-Projekt, mit welchem wir in nächster Zeit einige Auftritte innerhalb Finnlands absolvieren werden. Wenn wir genügend Zeit dafür finden, werden wir auch ein paar Festival-Gigs spielen. Doch nachdem in einem Monat „Once“ veröffentlicht wird und ich mit NIGHTWISH auf Tour bin, wird es schwer mit meinem Side-Projekt, live zu zocken. Ich persönlich bin auch ein produktiver Lyrics- und Songwriter und würde meine Arbeit gerne veröffentlicht sehen.





Welche Musik hörst du privat und gibt es Bands, welche die Musik von NIGHTWISH beeinflusst haben?


Ich könnte jetzt auf Anhieb keine bestimmten Bands nennen. Der Haupteinfluss kommt von Heavy und True Metal-Bands. Es gibt also einige Gruppen, die für den NIGHTWISH-Stil wichtig sind und waren. Doch eigentlich ist es Tuomas, der seine eigenen Ideen in die Musik einbringt. Natürlich gibt es Roots, welche ich dir aber jetzt nicht namentlich nennen kann. Privat höre ich eigentlich alles, was mir gefällt. Sogar Mainstream-Sachen wie zum Beispiel die neue Single von ANASTACIA, welche ich sehr gerne mag. Dann höre ich noch softere Sachen wie Piano-Musik oder BUSH, Progressiv Musik von JEHTRO TULL oder YES, sowie harten Metal von PANTERA. Du siehst, jeder von uns hört ganz unterschiedliche Musik.



Im letzten Jahr habt ihr die DVD „End Of Innocence“ heraus gebracht. Seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?


Ja, ich bin sehr zufrieden damit. Es gab Stimmen unter den Fans, welche mehr traditionelleres Material sehen wollten. Doch es war an der Zeit, etwas völlig anderes zu machen. Das Interview zum Beispiel, das zu sehen ist, ist von dem Mann, der das Buch über uns schreibt. Als wir das Rohmaterial sahen, waren wir geschlossen der Meinung, dass es eine gute Dokumentation wird. So kam uns die Idee, eine DVD daraus zu machen. Man kann die Band an den verschiedensten Orten auf der ganzen Welt sehen und es ist auch wirklich verrücktes Material dabei. Es ist eine gute Kombination zwischen dem Humor und der dunklen Atmosphäre in unserem Bandleben.



Was bevorzugt ihr persönlich? Festival oder Club-Gigs?


Das ist wirklich eine der schwierigeren Fragen (überlegt…). Also bei einem Club-Gig ist immer diese besondere Beziehung zu den Fans. Man ist einfach näher bei ihnen und hat meistens einen guten Kontakt. Die Stimmung selbst ist wild, man hat eine Art „durch Blut und Schweiß durchzogene“ Atmosphäre. Ich für meinen Teil liebe solche Auftritte, auch wenn sie einem viel Substanz kosten! Auf der anderen Seit hast du die Festivals, bei denen man vor 25.000 Leuten spielt. Zum Schluss drehen sie alle durch – es ist ein einzigartiges Gefühl! Ich bin dort zu Hause, wo man die Möglichkeit hat, live aufzutreten. Egal, ob bei einem Festival oder in einem kleineren Klub.



Wir sind schon bei der letzten Frage angelangt. Was sind NIGHTWISHs Pläne für die Zukunft?


Jetzt wird es Sommer und wir sind wirklich zu jeder Zeit ausgebucht und zugeschüttet mit Live-Auftritten. Danach wird es wahrscheinlich mit einer Tour in Kanada für zwei bis drei Wochen weitergehen. Dann ruhen wir uns eine Weile aus und gehen den nächsten Teil dieser Welt an, bevor wir wieder eine kurze Verschnaufpause gönnen. Das geht immer so weiter. Wir sind quasi ein Jahr durchgehend „on the road“.



Hört sich ja viel versprechend an. Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft.








www.nightwish.com

Autor: Gunther

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Beitrag vom 22.06.2004
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