Interview mit GRIP INC - Demokratie, Seele und weshalb ein Name allein noch nie ein gutes Album gemacht hat!


Anlässlich des neuen Albums „Incorporated“ führte ich mit GRIP INC Gitarrist und Mastermind Waldemar Sorychta ein langes Gespräch, welches ihr in bereits gekürzter Fassung hier findet. Es sollte rasch klar werden, dass der Mann eine Botschaft hat, die er an den Mann/die Frau bringen möchte. Ihr werdet zum Teil recht brisante Erklärungen finden, warum ausgerechnet das neue Album etwas Besonderes ist, und weshalb fünf Jahre seit der letzten Platte ins Land gegangen sind.


Fünf Jahre seit der Veröffentlichung eures letzten Albums – was habt ihr seitdem getrieben?

Die neue Platte aufgenommen…

Fünf Jahre lang?

Genau. (lacht)


Im Ernst – hat sich nichts getan seit eurer letzten Platte?

Ok, lass es mich so erklären: uns gab es damals vor fünf Jahren bereits siebeneinhalb Jahre. Nachdem wir die Aufnahme zu „Solidify“ (Vorgängeralbum von 1999) und die Tour abgeschlossen hatten, merkten wir, dass die Luft irgendwie raus war. Wenn dieser Zeitpunkt erreicht wird, dann stellt sich die Frage, ob du es rein geschäftlich betreiben willst und dir die Stimmung egal ist, oder eben nicht. Für uns ist die Stimmung total wichtig, daher war es das sinnvollste eine Pause zu machen. Wir hatten die Band weder aufgelöst, noch gab es Streit, sondern der Punkt war, dass wir gefühlt haben, innerlich nicht bereit zu sein und 100 Prozent geben zu können. Es hat dann einige Zeit gedauert bis der Hunger aufeinander gewachsen ist. Nach drei Jahren hat es immer mehr geprickelt und irgendwann fiel die Entscheidung, dass der Zeitpunkt gekommen sei. Einige der Lieder waren schon viel früher fertig, nur war der Zeitpunkt sie einzuspielen davor noch nicht der richtige. Als wir jetzt im Studio waren, war es wieder ein Erlebnis. Die Energie sprühte und alles hatte eine Seele.

Ein weiterer Punkt, der die Aufnahme der CD verzögert hat, war dass ich aus den USA ausgewiesen und mir die Wiedereinreise verweigert wurde. Ich wurde mit Handschellen aus dem Land gebracht und soviel ich weiß, gelte ich dort jetzt als Verbrecher.


Wie kommt das?

Seit der neuen Regierung, die ja weltweit sehr demokratisch vorgeht, nimmt man auch Gäste aus dem Ausland näher unter die Lupe und dann hat man angeblich herausgefunden, dass ich mich irgendwann mal einen Tag länger aufgehalten hatte als es mir gestattet war. Nach dem angeblichen Vorfall bin ich dann 30 bis 40 mal in die USA aus- und wieder eingereist und es war kein Problem. Ich hatte nicht einmal einen einzigen Strafzettel für Falschparken oder ähnliches gehabt in den vielen Jahren und plötzlich galt ich als Verbrecher. Mit den neuen Methoden wurde alles anders. Ich galt als Verbrecher und wurde unter Beschuss genommen und man hat mich quasi mit einem Mörder gleichgesetzt. Ich sage das nicht, um Mitleid zu erregen. Nein, als ich den Raum bei den Behörden betreten hatte, wurde ich nicht mehr menschlich behandelt. Alles Mögliche wurde unternommen, um mich einzuschüchtern, und auf die Frage nach vier Stunden Verhör, ob ich wen anrufen könne, hätte man mir fast die Fresse eingeschlagen! Die Geschichte ist ziemlich lang, obwohl es nur sieben Stunden Haft waren, aber was vor allem psychisch mit mir angestellt wurde, ist nicht mehr normal.

Heftige Sache!

Hat Daves (Dave Lombardo – Drums) Zusammenarbeit mit SLAYER den Entstehungsprozess verlangsamt?


Ganz entschieden: nein!

Und im Gegenzug: könnte der Rummel um die Zusammenarbeit von Dave und SLAYER eine gewisse Werbewirkung für GRIP INC haben?

Das weiß ich nicht. Das sind Punkte mit denen wir uns seit ewig herumschlagen müssen, wenn man aber die Platte hat, braucht man sich diese Frage gar nicht zu stellen, denn für uns war eines wichtig: wenn wir nach außen wieder präsent sind, dann richtig und mit Krach! Der ganze Rummel warum und weshalb ist mir total unwichtig. Die Leute brauchen halt auch Schubladen, in die sie etwas einstufen können.

Wir haben 93 angefangen und wer es in über zehn Jahren nicht verstanden hat, dass es bei uns um etwas anderes geht, der hat sich sowieso nie dafür interessiert. Es wäre auch viel einfacher gewesen, die Platte bereits vor drei Jahren aufzunehmen, wir fanden und finden es aber richtig, ehrlich zu sein und zu warteten bis wir dafür bereit waren. Mir wäre es viel angenehmer, wenn sich die Leute einfach mit der Platte beschäftigen würden, statt auf Namen zu schauen. Ein Name hat noch nie ein gutes Album gemacht!


Durch deine Ausweisung aus den USA hat sich wohl auch einiges für euch verändert – wie funktioniert die Zusammenarbeit, wenn ihr auf der Welt verstreut lebt?!

Wir haben dadurch viele Probleme mit der Planung bekommen. Acht Jahre lang war der Ort unserer Zusammenarbeit Los Angeles, wir haben aber, nachdem wir ohnehin immer in Deutschland in den Woodhouse Studios aufgenommen haben, und ich auch in Dortmund wohne, die Sache hierher verlegt. Insbesondere als Gus (Gus Chambers – Vocals) auch seit einiger Zeit hier wohnt, war es naheliegend. Mit den Proben und der Aufnahme war halt einiges an Koordination nötig, um Daves Flüge zu bekommen und so weiter.


Du hast die Energie beim neuen Album öfters erwähnt – wie würdest du dann das Album einem Käufer schmackhaft machen?

Es sind die Energie und der Hunger auf diese Musik spürbar, wenn sie da sind. Sind sie das nicht, dann fehlt was. Genau das macht die Sache aus. Bei Popmusik ist das anders, nachdem über 90 Prozent der Musik am Computer entsteht, wo letztendlich die Seele nicht gefragt ist. Unsere Platte hat ein Herz und lebt. Wenn du sie hörst sollst du genau diese Freude spüren. Wer uns im Studio gesehen hätte, wüsste was ich meine. Die Pause hat uns sehr dabei geholfen genau das wieder zu finden.

Auf der Platte finden sich vermehrt akustische Gitarren und Keyboardeffekte – ist das die Weiternetwicklung von Songs wie „Bug Juice“ auf „Solidify“ oder hast du spezielle Einflüsse verarbeitet?

Ok, zu den akustischen Gitarren: ich bin seit langer Zeit ein großer Fan von Flamenco und spanischer Musik. Mir gefallen die Rhythmik und auch das technische dahinter. Primär ist es eine Musikrichtung mit sehr viel Energie. Wir haben derartige Elemente bereits auf alle Alben gehabt, nun war es an der Zeit ein ganzes Stück damit zu schreiben.

Was die Sache mit den Keyboards angeht – da hast du auf der Promo-CD unter meinem Namen wahrscheinlich Keyboards gelesen. Das ist nicht ganz richtig. Ich weiß auch nicht, von wem der Satz stammt, denn gerade auf dieser Platte habe ich viel weniger Keyboards verwendet. Wir haben diesmal sehr viel Wert darauf gelegt, echte Sounds zu benutzen. Das meiste, also ich bin sogar stolz zu sagen, dass die Platte komplett live gespielt ist. Nichts wurde mit dem Computer verändert. Die Chöre und die Streicher wurden am Stück gespielt. Nichts wurde am Computer verdoppelt oder kopiert. Ebenso habe ich meine Gitarren live gespielt. Alles ist zu 100 Prozent echt – was es heute so gut wie gar nicht mehr gibt.


Wenn wir schon beim Aufnehmen sind – hast du in den letzten Jahren deine Produzententätigkeit weiterverfolgt?

Die Bands, die ich in der Vergangenheit produziert habe (u.a. SAMAEL, TIAMAT und MOONSPELL – Anm. d. Verf.), mit denen habe ich mich nicht nur musikalisch verstanden, sondern auch persönlich und das Ganze hatte einen fast familiären Touch, der weit vom Business entfernt war. Ich habe mit den Burschen auch heute noch Kontakt und genau diese persönliche Ebene ist und war mir immer sehr wichtig.

Bisher habe ich sehr viele verschiedene Bands aus verschiedenen Ländern produziert, ich möchte jedoch einen etwas anderen Weg einschlagen. Mein Ziel für die nächsten Jahre ist es, auch andere Sachen zu produzieren. Du kannst dir mein Leben als komplett aus Musik bestehend vorstellen – statt Musik zu hören, spiele ich sie lieber. Und da ist noch viel mehr als Metal! Jeder Tag ist mit Musik erfüllt. So komponiere ich sehr viel – von Flamenco über ganz andere Sachen bis zu Metal. Die Musik spiegelt dann meine jeweiligen Launen wider. Ich möchte in der Zukunft versuchen auch diese anderen Sachen an den Mann zu bringen. Wenn das zusammen mit anderen Leuten sein sollte, dann nur mit Leuten, die ebenso wie ich ganz dahinter stehen.
Beispielsweise das Stück „Built To Resist“ habe ich ursprünglich für Cello geschrieben und diesmal passte es eben. Dave hatte kurz vor unserer Aufnahme für APOCALYPTICA Drums eingespielt und so haben sie sich revanchiert. Das Ergebnis ist viel besser, als wenn es von einem Keyboard gekommen wäre!


Wie sieht es mit dem Equipment aus, das du im Studio verwendest – was verwendest du? Nimmst du digital oder analog auf?

Also es sieht gut aus! Das hört man doch! (lacht) Zur neuen Platte kann ich jedenfalls mit Stolz sagen, dass wir sie komplett live gespielt und analog aufgenommen haben. Es gibt Unterschiede, die kannst du digital nie rauskitzeln, was zum Teil den Bass- und Höhenbereich angeht. Es ist zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses am sinnvollsten komplett analog aufzunehmen und erst später beim Mastering digitale Technologie zu verwenden. Ausnahmen sind nur digitale Effekte zum Beispiel auf Stimmen.

Wie sieht es mit eurem Problem mit den wechselnden Bassisten aus?

Das ist diesmal nicht so tragisch gewesen, es wurde lediglich auf Grund der Situation, die ich dir geschildert habe, entschieden, dass es das Einfachste sei, wenn ich den Bass spiele. Für live Aktivitäten steht uns Stuart, der auch auf „Solidify“ gespielt hat, zur Verfügung.

Nach den diversen Sachen, die schief gegangen sind – welche Erwartungen legt ihr in das neue Album?

Wir als Band haben die Erwartung, dass man die Platte so ehrlich aufnimmt, wie wir sie eingespielt haben. Ich wiederhole nochmals, es wäre von der geschäftlichen Seite aus weit einfacher gewesen, die Platte vor drei Jahren aufzunehmen. Vor alle hätte es uns eine Menge Fragen erspart. Es soll aber jetzt nicht mehr zählen, wer da Schlagzeug spielt oder sonst etwas, sondern die Leute sollen die Lieder sprechen lassen. Man wird dann schnell herausfinden, dass alles, was Emotion bedeutet, genau in dieser Platte enthalten ist.

Zusammenfassend kann man dann sagen, dass ihr mit den Platten davor und der Pause zufrieden seid, weil ihr sonst die Pause nicht gemacht hättet. Es muss vorher alles gepasst haben – und dass es jetzt passt, hast du ja mehrfach gesagt. Liege ich da richtig?

Das ist richtig, auch wenn jede Platte immer eine eigene Geschichte und eine eigene Entstehung hat. Nicht immer läuft alles gut und eine Platte ist von der Zeit, in der sie entsteht, geprägt. Wenn du als Band neun Jahre zusammenarbeitest, gibt es schon mal kleine Streitigkeiten, weil nicht immer alle derselben Meinung sind. Es wäre aber stinklangweilig, wenn du mit drei oder vier komplett verschiedenen Charakteren immer der gleichen Meinung wärst. Es stand nie die Überlegung da, wie man die Fans am besten erreichen könne, sondern du findest auf allen Alben eine Widerspiegelung unserer Emotionen zu dem Zeitpunkt.

Ihr habt immer sehr direkte Lyrics gehabt, inwieweit lässt sich – auch in Hinblick auf deine Ausweisung aus den USA – Musik und Politik vereinen?

Es war bei uns immer notwendig zwischen den Zeilen zu lesen, da wir die Sachen zwar angesprochen, aber nicht immer direkt beim Namen genannt haben. Du wirst mit Musik und Texten nicht die Weltgeschichte verändern können. Man kann auch die Menschen dadurch nicht verändern. Man findet aber Zugang zu Leuten, die sich dafür sowieso interessieren würden und an einer Stelle sind, an der sie sich nicht entscheiden können. Man erfindet aber nichts Neues. Es wäre schön, wenn du durch Musik ein neues Bild der Welt schaffen könntest, nur ist das leider nicht so.

Wie sieht es mit Tourplänen zum neuen Album aus?

Das Problem ist die Tatsache, dass Business das Gegenteil von dem ist, was wir in unseren Herzen tragen. Das war der Grund, weshalb die lange Pause kam, wodurch wir aber weg vom Markt waren, was uns wiederum eine Menge Vorsicht seitens der Leute aus dem Business entgegenbringt. Wer populär ist, für den ist Geld da, wenn du so wie wir länger aus dem Markt draußen warst, dann muss sich erst zeigen, ob du populär bist oder wieder wirst und wenn du erfolgreich bist, ist auch Geld da. Wenn die Platte also einschlägt, werden viele Sachen viel, viel einfacher funktionieren und wir werden die Möglichkeiten zu touren bekommen. Natürlich sind wir heiß drauf zu spielen, nur liegt es jetzt mal nicht an uns.

Noch eine Frage abseits vom Business: Dave hat meines Wissens nach Familie, wie sieht bei euch anderen aus?

Also meine Familie sind die elf Songs auf der Platte und noch viele, viele mehr, die noch nicht veröffentlicht wurden. Gus hat mehrere Kinder – verstreut mal da, mal da. Da müsstest du aber ein Gespräch mit ihm führen, nachher könnte ich dir sagen, was falsch ist. (lacht)

Welchen Tipp würdest du als jemand, der lange im Geschäft ist, einer jungen Band geben, die gerade beginnen möchte?!

Ich habe den Eindruck, dass Plattenfirmen heute die Alben, die sie rausbringen, nicht einmal mehr anhören. Das ganze Business definiert sich nur mehr in Zahlen. Wer verkauft, darf da sein. Jeder meckert, dass alles schlechter wird, aber keiner tut was. Der Tipp, den ich jungen Musikern geben würde, ist lediglich an das zu glauben, was sie machen wollen und sich nicht beeinflussen zu lassen und auch daran zu glauben, dass es egal ist, wie viel man verkauft. Es ist viel wichtiger Spaß an dem zu haben, was man macht, als viel zu verkaufen und das dann innerlich zu hassen, was man macht.

Zum Schluss: wie sieht es mit den direkten und momentanen Plänen für GRIP INC aus?

Wir müssen erstmal das machen, was man eine Platte promoten nennt – also Interviews geben und so weiter. Das müssen wir machen, ob wir es wollen oder nicht. Vor allem hätte ich in der Zeit, die ich mit Interviews verbringe, bereits eine neue Platte schreiben können. Man freut sich auf der einen Seite, dass Interesse da ist, auf der anderen Seite wiederholt man ständig die gleichen Antworten. Es gehört aber dazu. Ich hoffe dann schließlich, dass sich bald Livekonzerte ergeben.

Ich denke, da würden sich einige Leute freuen…

Das würden wir auch ... (lacht)


Letzte Worte sind nach diesem Gespräch nicht notwendig und die Message von Waldemar sollte jedem klar sein. Viel ehrlicher und hingebungsvoller lassen sich richtig gelebte Musik und Business nicht verbinden.

www.spv.de

Autor: Gore

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Beitrag vom 23.05.2004
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