Interview mit DEICIDE - Steve Asheim über die neue CD, altbekannte Vorwürfe und die Death Metal Szene


Die vier Berufssatanisten von DEICIDE stehen mit ihrem neuen Album „Scars Of The Crucifix“ in den Startlöchern. Ich unterhielt mich mit Drummer Steve Asheim über ihr neues Werk, altbekannte Vorwürfe und die Death Metal-Szene. Dabei entpuppte sich mein Gegenüber als etwas übermüdeter aber im Laufe des Gespräches als immer gesprächiger werdender Interviewpartner. Er beantwortete mir alle Fragen bereitwillig, auch jene, die mir als unangenehm erschienen. Dabei war ich vor allem von Steves Ehrlichkeit und Direktheit sehr überrascht. Was dabei rauskam, kann man in folgendem Bericht nachlesen.



Lass uns mit einer Frage zu eurem neuen Album „Scars Of The Crucifix“ beginnen. Kannst du mir etwas über die Aufnahmen zu eurer aktuellen CD erzählen?


Nun, wir nahmen es eigentlich sehr schnell in einigen verschiedenen Studiosessions auf. Wir machten es wie üblich, es wird also niemanden wirklich überraschen. Ich spielte die Drums sehr schnell ein, in etwa vier Stunden. Auch die Gitarrenspuren wurden innerhalb von ein paar Tagen eingespielt. Dann kam Glen (Glen Benton, Sänger der Band, d. Verf.) ins Studio. Er hatte erst die Lyrics für zwei oder drei Songs fertig und machte seinen restlichen Job.


Verwendete Glen einen Harmonizer?


Ja, er verwendete ihn an einigen Stellen, um ein paar nette Effekte zu erzeugen. Er legte mehrere Gesangspuren übereinander, Multitracking nennt man das.


Warum habt ihr den Producer gewechselt und arbeitetet diesmal mit Nick Kernon, anstatt mit Jim Morris zusammen?


Wir haben uns in den letzten 15 Jahren hauptsächlich selbst produziert. Unser neues Label Earache machte uns den Vorschlag mit Nick Kernon zusammen zu arbeiten und wir waren offen für diese Idee. Er machte seinen Job sehr gut und dokumentierte dies in Form des sehr natürlichen, guten Sounds unserer neuen CD. Es gab mehrere Mixes der neuen Songs und uns gefielen einige nicht so gut. Zum Beispiel versuchten wir es mit einem Snare–Sample, welches im Nachhinein nicht unseren Vorstellungen entsprach. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir eine Tour in Europa, also standen wir unter großem Zeitdruck die Produktion bis zum eigentlichen Release Date von „Scars Of The Crucifix“ im Kasten zu haben. Als wir von der Tour zurückkamen, nahmen wir das Material und mixten es in kürzester Zeit zusammen. Wir wollten einen klaren Live Sound erlangen und verwendeten letztendlich auch eine echte Snare. Unser Ziel war es, die neuen Songs live und echt klingen zu lassen.


Was mir persönlich aufgefallen ist, ist dass eurer neues Album ein sehr kurzes Stück Death Metal ist. Glaubst du nicht, dass eure Fans mehr als 26 Minuten Musik verdient haben? Immerhin müssen sie teilweise sehr hohe Preise für die CD hinblättern...


Ja, du hast recht! Sie haben das Recht auf mehr Musik. Doch mittlerweile weiß jeder wie lange eine DEICIDE CD ist und es sollte niemanden mehr überraschen. Als wir das Album aufnahmen, haben wir die unserer Meinung nach schwachen Stellen herausgeschnitten und warfen ein paar Songs von der Setlist. Außerdem liegt es uns nicht, lange langweilige Songs zu schreiben. Doch jeder in der Band sollte damit anfangen, mehr Material zu erarbeiten. Die Preise für eine CD sind teilweise lächerlich. Die Leute von den Plattenfirmen sind geizig und überziehen die Preise maßlos. Aber das ist nicht unser Zuständigkeitsbereich.


Dasselbe Problem gibt es bei den Eintrittspreisen für eine Live Show. Gibt es für dich und deine Bandkollegen eine Möglichkeit die Ticketpreise zu beeinflussen?


Ich glaube nicht, dass es da einen realistischen Weg gibt. Ich erinnere mich an PEARL JAM vor etwa zehn Jahren. Sie regten sich fürchterlich über die überzogenen und von den Veranstaltern kontrollierten Preise auf. Was passierte war, dass sie aus dem Musikgeschäft rausflogen, da sie nicht das System bekämpfen konnten. Die zuständigen Leute haben eine derart große Macht – man sollte sich mit solchen Personen lieber nicht anlegen, denn sie brauchen dich nicht. Was passiert, ist, dass man aus dem Geschäft rausfliegt. PEARL JAM hatten gute Absichten, doch der Schuss ging nach hinten los.




Ich habe auf einer eurer Homepages gelesen, dass ihr die „founding fathers of Death Metal“ seid. Was hältst du persönlich von dieser Aussage und wie siehst du die Entwicklung der Death Metal-Szene?


Zu dem Zeitpunkt als wir anfingen Death Metal zu spielen, gab es nicht viele Bands um uns herum. Es gab SLAYER, welche ihre Musik jedoch als Thrash Metal bezeichneten. Dann gab es noch POSSESED und natürlich DEATH, die richtigen Death Metal spielten. Zwei Jahre später waren OBITUARY, MORBID ANGEL und schließlich auch wir an der Reihe. Die Jungs von CANNIBAL CORPSE hatten auch noch ein Wörtchen mit zu reden. Was mit vier oder fünf Bands anfing, gipfelt heutzutage in einer Szene mit Hunderten von Bands. Viele Gruppen entwickeln sich von Death Metal zu Black Metal-Kapellen. Ich persönlich mag technisch versiertes Schwarzmetall sehr gerne. Die neueren Death Metal-Bands wie HATE ETERNAL oder KRISIUN versuchen die Messlatte immer höher zu legen. Sie werden immer schneller und brutaler. Die Produktion hilft ihnen dabei. Ich glaube, dass manche Bands mit einer länger ausgereifteren Produktion um einiges besser klingen könnten.


Ich habe gehört, dass ihr euch befreit fühlt, weil eure Arbeit mit Roadrunner Records der Vergangenheit angehört. Kannst du mir die Probleme mit dem Label etwas näher erläutern?


Das Problem war, dass wir einen sehr langen Vertrag mit Roadrunner laufen hatten. So weit ich mich erinnern kann, mussten wir sieben Scheiben unter ihnen veröffentlichen. Um die ersten drei haben sie sich nicht wirklich gekümmert. Sie hatten Pläne für uns, was die Vermarktung anging. Doch wir merkten nicht viel davon. Roadrunner hatten ihre Aushängeschilder mit Bands wie zum Beispiel FEAR FACTORY oder TYPE O NEGATIVE und Horden an anderen. Ihnen galt die höchste Priorität. Heute promoten sie Gruppen wie zum Beispiel NICKELBACK. Dies sind die Klienten, die sie pushen und fördern. Also warum halten sie dann eine Band wie uns unter Vertrag? Es wäre einfacher gewesen, wenn sie uns einfach gehen lassen hätten. Sieben Alben für ein Label zu veröffentlichen ist sehr viel. Ich finde es einfach unfair, wie sie mit uns umgegangen sind. Wenn sie eine Band nicht mochten, dann haben sie es ihnen im Musikgeschäft einfach ungemein schwer gemacht.


Seid ihr nun mit eurem neuen Label Earache zufrieden?


Ja, wir sind sehr zufrieden mit Earache. Sie haben bereits sehr viele positive Sachen für uns getan. Bevor wir unterschrieben, versprachen sie uns, ihre Ressourcen voll zu nützen, uns zu pushen und hart zu arbeiten. Sie haben diese Punkte auch tatsächlich erfüllt. Ich bin sehr glücklich mit dem neuen Label.


Nun zu den Lyrics auf „Scars Of The Crucifix“. Sie sind wie üblich satanisch ausgefallen und behandeln euren Hass gegen das Christentum. Warum gibt es so eine große Ablehnung gegen diese Religion innerhalb der Band?


Das ist eine gute Frage. Das ist hauptsächlich Glens Gebiet. Ich kann hier nicht für ihn sprechen, außer das, was ich ihn darüber sagen gehört habe. Wenn er sich hinsetzt, um für DEICIDE Texte zu verfassen, kommt dieses Thema einfach aus ihm heraus. Ich glaube er ist sehr verärgert über das Christentum, über die Kirche und das ganze Zeug. Ich meine, was erwartet ein DEICIDE-Fan? Diese Themen sind einfach Teil der Band. Natürlich kann man auch über Politik singen, doch das machen schon genug andere Kollegen. Viele Leute meinen, dass der satanische Death Metal abgedroschen sei. Aber dies ist nun mal ein Trademark der Band. Das macht DEICIDE aus, das ist Glen Benton. Niemand sollte mehr überrascht darüber sein. Ich glaube eher, dass es die Menschen schockiert. Doch wir sind noch immer am Leben und ziehen unser Ding durch!


Habt ihr noch immer Probleme mit Zensur, radikalen Christengruppierungen und Tierschützern?


Natürlich sind diese Themen aktuell. Doch wir hatten nie sehr große Probleme damit, außer dass es Proteste gab. Kürzlich haben wir bei uns zu Hause ein Plakat in Auftrag gegeben, welches einer Person ein Dorn im Auge war. Dabei handelt es sich nur um ein Artwork ohne verkehrte Kreuze oder ähnliches. Die eben genannte Person erklärte sich damit einverstanden es zu drucken. Ein paar Tage später rief er uns an und meinte, dass er mit uns nicht länger zusammen arbeiten will. Als Grund gab er an, dass er zu religiös für dieses satanische Logo sei. Er gab uns das Geld und das Material zurück und wollte uns nie wieder in seinem Geschäft sehen, da ihm die ganze Sache zu böse war. Ich persönlich kann mir nicht erklären, was für ein Problem dieser Mann mit uns hatte.


Stimmt es, dass es in der Vergangenheit Bombendrohungen während eurer Konzerte gab. Wie habt ihr darauf reagiert?


Ja, das ist wahr. In der Vergangenheit gab es einige Male Bombendrohungen. Doch wir kümmerten uns nicht weiter darum und sagten einfach: „Oh wieder einmal eine Bombendrohung...“ So etwas kann uns nicht stoppen. Christengruppierungen oder Tierschützer machen das, was sie für richtig halten und wir machen das was wir für richtig halten. Wenn sie jemanden in die Luft sprengen wollen – lass sie doch! Mir ist so etwas egal...


Klare Worte. Als nächstes möchte ich wissen, ob es wahr ist, dass Glen Benton während eines Auftrittes die Zuschauer mit echten Tierorganen bewarf?


Ja, wir haben das vor etwa 15 Jahren ein paar Mal gemacht. Man geht zum Fleischhauer, kauft sich einen Sack voll mit Tierorganen und nach ein paar Stunden fängt das Ganze wunderschön an zu schimmeln. Wenn die Show anfängt, wirfst du es einfach ins Publikum, sodass sich die Fans teilweise übergeben müssen. Die Gedärme fliegen durch die Luft und die Leute werfen sich diese gegenseitig ins Gesicht. Doch so eine Aktion ist nicht besonders gut fürs Geschäft. Es ist schockierend und es stinkt unheimlich. Der Club hatte nach der Show überall Tierorgane kleben und musste das Gesundheitsamt informieren. Es kam sogar die Polizei um heraus zu finden, ob es sich um menschliche Organe handelt oder eben nicht. Der Club war zwei Wochen lang gesperrt und konnte deswegen kein Geschäft machen. Nachdem wir das zwei bis drei Mal durchgezogen hatten, sprach sich das herum und wir konnten fast ein Jahr lang keine Auftritte mehr machen.




Ich habe von einigen Zwischenfällen während eurer Konzerte gehört, bei denen Glen Benton oder einem eurer Gitarristen Leute aus dem Publikum attackiert hat. Wie kam es dazu?


Manchmal passiert es, dass irgendein verpisster, betrunkener Typ in der ersten Reihe jemanden aus der Band ins Gesicht spuckt oder die ganze Zeit jemanden lautstark beschimpft. Was bleibt dir dann übrig? Es gibt keine Security, du kannst lediglich versuchen, den Typen so lange wie möglich zu ignorieren. Er will deine Aufmerksamkeit und wenn er einen Stiefel ins Gesicht bekommt, weiß er, dass er deine Aufmerksamkeit bekommen hat! Wenn dich jemand bespuckt – was machst du? Wenn er dich beschimpft – was machst du? Irgendwann ist das Maß voll und du haust ihm eine rein! Wenn jemand nicht will, dass man ihm einen Zahn ausschlägt, sollte er nicht in der ersten Reihe stehen und dich beschimpfen und bespucken.


Alles klar. Nun zurück zur Musik. Welche Bands hörst du privat und wer hat die Entwicklung von DEICIDE beeinflusst?


Ich höre mir viel neue Sachen aus den Bereichen Death und Black Metal an. Wenn ich nach Hause komme, höre ich mir auch oft die Musik an, mit welcher ich aufgewachsen bin. Um mich am Schlagzeug weiter zu entwickeln, höre ich Jazz. Einige Death Metal Bands haben uns beim Songwriting beeinflusst.


Bist du oder einer deiner Bandkollegen in irgendwelche Side–Projects involviert?


Nein, jeder von uns konzentriert sich voll und ganz auf DEICIDE. Einige hatten zwar Angebote, doch wir lehnten sie stets ab. Meine Meinung dazu ist, wenn man genug Energie in seine eigene Band investiert, braucht man keine Side–Projects.


DEICIDE gibt es nun seit 17 Jahren und es hat während dieser langen Zeit noch nie Änderungen im Line–up gegeben. Gab es je kritische Momente in welchen jemand aussteigen wollte?


Klar, nach 17 Jahren gehört das einfach dazu. Wenn es Streit gibt und jemand aus der Band aussteigen will hält es höchstens eine Woche lang und dann ist alles wieder in Ordnung. Doch jedem ist bewusst, was wir erreicht haben und dass es ein Job ist, welchen wir alle lieben. Die Leute machen ein großes Ding daraus, dass es bei uns noch nie einen Line–up-Wechsel gab. Doch für mich ist das nicht schockierend. Wir sind alle gute Freunde und machen unseren Job gerne. Für mich ist es dafür unverständlich, wie manche Bands regelmäßig das Besetzungskarussell erneut drehen.


Ich habe gehört, dass du eine Vorliebe für Waffen hast. Willst du mir darüber etwas erzählen


Ja, klar! Ich bin ein richtiger Waffen–Narr! Ich besitze einige Gewehre und fahre regelmäßig auf eine Ranch, um zu schießen. Es macht mir unheimlich viel Spaß und ist eine große Leidenschaft von mir. Ich weiß zwar nicht, wie es bei dir ist, aber bei uns im Süden von Florida darf man Waffen besitzen. Es gibt Gesetze an die man sich halten muss und das mache ich auch. Ich habe Waffen um mich zu beschützen, um Sport zu machen und einfach zum Spaß.




Kommen wir abschließend zu einer Frage, die eure Zukunft betrifft. Was habt ihr vor und werden wir die Möglichkeit haben, euch bald live in Österreich zu sehen?


Wir werden auf jeden Fall viel touren. In den Monaten Juni und Juli werden wir wahrscheinlich in Österreich spielen. Etwas später in diesem Jahr - im Oktober/November - werden wir definitiv in Europa sein. Österreich ist ein großartiges Land um live zu spielen! Wir hatten schon einige geniale Shows in Österreich und verbrachten eine gute Zeit dort. Ich liebe es, hier zu spielen. Die Leute leben für Metal, es ist ganz anders als in Amerika.


Gut, dann bedanke ich mich für das wirklich sehr aufschlussreiche Interview und wünsche dir und der Band alles Gute für die Zukunft.


Ich bedanke mich bei dir für dein Interesse und wünsche dir auch alles Gute. Wir sehen uns...

www.deicide.com

Autor: Gunther

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Beitrag vom 23.04.2004
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