Interview mit DIE APOKALYPTISCHEN REITER - Inspiriert vom Leben


An sich hätte Bassist Volk-Man von DIE APOKALYTISCHEN REITER mir bereits nach ihrem Auftritt beim Metalfest 2003 Rede und Antwort stehen sollen, es kam aber leider alles anders und erst kürzlich kam endlich ein E-Mail mit der Botschaft der REITER.


Gleich zum Einstieg: Wie fandest du/fandet ihr das Vienna Metalfest? Schließlich ist ein Festival dieser Dimensionen mitten in einer europäischen Großstadt alles andere als die Regel.

Das stimmt. Das Feeling inmitten der Großstadt war echt strange. Normalerweise sind Festivals inmitten der Pampa, irgendwo im Nirgendwo. Das ganze Event hat super viel Spaß gemacht.


Bevorzugst du/bevorzugt ihr eher Club- oder Festivalgigs? Bei einem Festival spielen doch meist ungleich mehr Bands, während die Atmosphäre bei Clubauftritten ja eher "familiär" ist.

Dieses Familiäre geht auf ganz großen Open Air Shows etwas verloren, man trifft zwar mehr Leute, aber dafür auch nur flüchtiger. Auf Clubshows teilt man den ganzen Abend den Backstage-Bereich mit wenigen Bands, da kommt man eher ins Gespräch. Soweit zu den Bands. Die Massen an Leuten auf großen Shows sind natürlich die positive Kehrseite dieser Medaille. Es ist einfach hammer, auf einer großen Bühne zu stehen vor einem Meer an Freunden.


Augenscheinlich habt ihr Verstärkung durch einen Gitarristen bekommen. Ein weiterer fixer Reiter oder nur eine Live-Aushilfe?

Das wird sicher zeigen. Wenn er Lust hat, kann er mit uns soweit reiten, wie er will. Das ist seine Entscheidung. Wir haben unsere schon getroffen. Er passt hervorragend zu uns.


Ihr habt ja inzwischen eine acht Jahre dauernde, teils recht bewegte Geschichte hinter euch. Was macht eurer Meinung nach eine Band mehr aus: Der Wille und die Durchsetzungskraft, einfach sein Ding durchzuziehen oder eher stetige Weiterentwicklung – die vielleicht auf Kosten des „Stils“ geht?

Weiterentwicklung ist nur dann glaubhaft, wenn die Musik es in gleichem Maße versteht zu überzeugen und die Massen mitzureißen. Ich halte nichts davon, sich selbst aus irgendeinem Grund zu limitieren. Gefühle kann man auch nicht einfach so unterdrücken oder wegschließen. Es geht uns beim Song schreiben immer nur um das Gefühl beziehungsweise wie man es anstellt, dass man eben dieses Gefühl mit Tönen und Stimmen vermitteln kann. Wir stellen uns nicht hin und beschließen mal eben eine epische Hymne und danach einen straighten Bolzer. Je nach dem, wie stark und vielfältig sich eine Band mitteilen will, umso krassere, gewagtere und unverständlichere Wege wird sie gehen. Und die eigentliche Kunst der Musik ist nach unserer Auffassung stets die gewesen, den unerforschten, harten und kantigen Weg am Hang des Abgrundes aus freien Stücken zu wählen. Unser "Stil" bestand schon immer darin, allein diesen Weg zu gehen. Und mit wachsender Höhe steigt auch die Anzahl derer, die vom Tal aus unser Treiben mit wachsamen Auge beobachten. Mit jedem Schritt, an dem wir an Höhe gewinnen, wird ihr Applaus anschwellen. Doch wehe wir stürzen und fallen. Sie werden uns zertreten.


Was sind so die (Haupt-)Inspirationen für euer Schaffen und wie machen „Die Reiter“ Musik?

Ganz einfach, das Leben. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.


Eure Musik ist, was Texte und Arrangements anbelangt, teilweise doch – sagen wir mal „eigen“. Wieviel Wahn braucht die Musik?

Sie braucht nur den Wahnsinn, ehrlich zu sich selbst sein können. Einen größeren Wahnsinn kann ich mir nicht vorstellen.


Was ist dir beziehungsweise für euch wichtiger: euch in eurem Schaffen selbst zu verwirklichen oder den Erwartungen der Fans zu genügen? Gibt’s da einen Kompromiss?

Das Witzige ich, dass man hier nicht trennen kann, weil beide Seiten sich gegenseitig beeinflussen. Sobald man die erste Scheibe auf dem Markt hat, beginnen schon die Wechselwirkungen. Man ist ja nicht blind und bemerkt, was die Leute gut finden, was nicht. Ich weiß nicht, wie weit einen das, vielleicht auch nur unbewusst, steuert? Ich würde zum Beispiel keine Platte machen, wo nur Kotzgeräusche, Technobeats und Flugzeug-MGs zu hören sind. Weil ich weiß, dass dies außer einigen Freaks niemandem gefallen wird. Das Ziel beim Komponieren besteht eigentlich darin, die Welt um einen herum zu vergessen (im engeren Sinne), dafür aber den Blick auf die Welt und ins Universum seiner Selbst zu schärfen. Das Gute ist ohnehin, das man pro Scheibe die Lager eh in 50/50 spaltet. Die einen finden es gut, die anderen Scheiße. Bei den Reitern gibt es da wenig Spielraum. Deswegen kann es uns eigentlich egal sein, was wir tun. Wir tun es einfach. Und ich denke, die Leute, die uns schätzen, schätzen uns genau deshalb. Weil wir nicht fragen, nicht dran denken, sondern weil wir es einfach tun.


Ihr haltet ja abseits der Konzerte unter anderem über eure Homepage (www.reitermania.de) ziemlich intensiven Kontakt mit euren Fans. Das Publikum der fünfte Reiter?

Das Publikum ist der SIEBENTE Reiter. Der fünfte ist Pit, unser neuer Klampfer. Der sechste ist Egon, unser Kult-Merchandiser, (Dreadlocks, Pakistan-Erfahrung, DDR-Badehosen Träger) und gleich danach kommt sofort das Publikum. Sorry, aber Familiy first! Aber siebenter Reiter ist eh besser. Ist mystischer, geheimnisvoller! Unsere Frauen schweben in Dimensionszwischenräumen (meist zwischen zweiter und dritter und dritter und vierter Dimension) durch uns hindurch.


Wenn wir schon beim Publikum sind: Was haltet ihr eigentlich von dieser ganzen „true“-Sache beim (Black) Metal? Immerhin ziert „All You Need Is Love“ ein doch recht klischeehaftes Cover und der Titel zu eurem neuesten Werk „Everything Is True – Have A Nice Trip“ lässt auch einiges an Interpretationen zu!

Die Cover sind keinen Funken klischeebeladen. Allerdings nur dann, wenn man ganz genau hinschaut. Wenn man sich Mühe macht, hinter die Fassade zu schauen: Ein brutales Reiterheer, bis an die Zähne bewaffnet, auf dich zustürmend und darunter steht "All You Need Is Love". Also das ist für mich überhaupt kein Klischee. Klischee wäre es, wenn wir "Brutal Zombie Attack" oder "Satans Spell" drunter geschrieben hätten. Mehr Klischee wäre nicht gegangen. Aber bei uns? Liebe?? Bitte was? Und auf "Have A Nice Trip" ist der Ansatz ein völlig anderer gewesen. Er versinnbildlicht sozusagen die Reiter auf ihrer neuen Mission. Einer leuchtenden, strahlenden Mission, vor der das Dunkel weicht. Generell muss ich aber sagen: Klischeehafte Cover sind geil. Metal-Cover müssen klischeeüberladen sein. Anders geht es einfach nicht.


Nachdem zwischen 1996 und 2000 jährlich die Reitermania durch neue Scheiben verbreitet wurde, habt ihr euch für „Have A Nice Trip“ knapp zwei Jahre Zeit gelassen. Warum die lange Auszeit?

Über drei Jahre, um genau zu sein. Wir schlugen uns ein wenig mit Krankheiten herum (Drummer und Gitarristen litten an Armentzündungen durch Überbeanspruchung), reisten viel durch die Welt, wechselten die Plattenfirma, integrierten einen neuen Gitarristen. Es kommen jede Menge Dinge zusammen, wenn man eine Band von einer losen Hobbyvereinigung dazu bringen will, ein wenig Struktur und Schliff anzunehmen. Natürlich wird man auch dadurch bekannt, dass man viele Käufer gefunden hat, aber man muss auch lernen, sich selbst in den Arsch zu treten und sich nicht zu oft bescheißen zu lassen. Du wirst lachen, aber wir haben in der Zeit, wo wir zum Nichtstun verurteilt waren, hin und wieder auch mal Bücher über Musikrecht gelesen, da man ohne den Scheiß, den wir alle total hassen, einfach superschnell übers Ohr gehauen wird. Und dann macht alles keinen Spaß mehr, was die Fans ziemlich schnell merken würden. Lieber ein Jahr länger gelernt und dafür das ganze Leben mehr Freude haben.


Lasst ihr euch beim Erarbeiten von neuem Material von irgendwem dreinreden beziehungsweise vielleicht sogar Druck machen? Wieviel Druck macht ihr euch selbst?

Niemand redet uns rein und wird das auch je tun. Druck selbst machen wir uns nicht. Wenn einer eine Idee hat, bringt er sie mit zur Probe und stellt sie uns vor. Wenn´s gefällt, machen wir vielleicht einen Song daraus, wenn nicht, auch nicht schlimm. Quotenregelungen in Bands sind blöd. Es muss nicht immer jeder pro Platte Songs beisteuern. Der eine fühlt sich vielleicht gerade eher mies, anderen geht es besser. Das ist doch das Tolle, wenn man in einer Band spielt. Interaktion und das Wissen, wenn ein Song dann fertig ist, dass ihn wirklich alle gut finden.


Bezüglich Druck von außen, von Seiten des Labels, müsstet ihr ja durch eure häufigen Labelwechsel doch einiges an Erfahrungen gesammelt haben. Wie geht es euch jetzt mit „Nuclear Blast“?

Ich habe früher auch oft solche Dinge gedacht, dass Nuclear Blast so etwas machen würden. Doch keine Bange, dort macht wirklich jede Band, was sie will. Abgesehen davon würden wir uns auch nie reinreden lassen. So etwas gibt es natürlich, ist aber wohl eher im kommerziellen Pop-Bereich anzutreffen. Und verglichen mit den Umsätzen dieser Branche sind Blast & Co. wirklich Zwerge. Metal-Fans sind scheinbar super sensibel auf dieses Thema zu sprechen, sie wenden da für ihre eigenen Labels (sprich Freunde) viel härtere Kriterien an als für das, was im wahren Mainstream völlig normal ist.


Was sind so eure Pläne für die nahe Zukunft? Existiert schon viel neues Material, das seiner CD-Werdung harrt?

Wir wollen im Sommer 2004 die neue Scheibe aufnehmen und Ende 2004/Anfang 2005 veröffentlichen.


Abschließende Worte?

Danke fürs Interview. Danke Österreich. Wir kommen wieder! Eure Reiter


Danke vielmals, dass du dir für Earshot die Zeit genommen hast! Weiterhin viel Erfolg!

www.reitermania.de

Autor: Christoph

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Beitrag vom 19.12.2003
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