Interview mit AEBSENCE - Schnuppertour nach Ungarn


Eine äußerst interessante und leider noch recht unbekannte Band ist AEBSENCE aus Ungarn. Ihre aktuelle Veröffentlichung "Unusual" gehört meiner Meinung nach zu dem besten und vor allem eigenständigsten, was der Underground in letzter Zeit hervorgebracht hat.
Höchste Zeit also, dass sich AEBSENCE stellvertreten durch Gitarrist András Perneczky, vorstellen.

Hallo Andras! Damit unsere Leser ein Bild von euch bekommen, würde ich dich bitten ein wenig von AEBSENCE zu erzählen. Seit wann gibt es die Band, was habt ihr schon erreicht und wer seid ihr überhaupt?

András: Die Band entstand vor acht Jahren, ursprünglich ohne Sänger, sprich wir spielten Instrumental-Rockmusik. Vor sechs Jahren stieg Peter Budai als Sänger ein und damit war auch das aktuelle Line Up geschaffen.
Ursprünglich spielten wir unter dem Namen ABSENCE, da wir jedoch erfuhren, dass es bereits Bands mit diesem Namen gab - manche sogar im selben Genre - änderten wir unseren Namen in AEBSENCE mit AE am Anfang um uns von denen zu unterscheiden.
Wir stellten uns zu Beginn des Jahres 1999 mit unserem ersten Demo erstmals einem größeren Publikum vor. Drei Songs waren darauf enthalten, von denen jeder den damaligen Stil und das damalige Konzept von AEBSENCE widerspiegelte: Heavy Metal mit ungarischen Folkeinflüssen trifft auf englische und ungarische Texte.
Dieses Demo wurde eigentlich nur in Ungarn verkauft und war kein großer Erfolg, brachte uns aber einen gewissen Status im Underground ein und da fast alle Rockmagazine das Demo lobten, wurde unser Name zu einem gewissen Grad bekannt. Als Folge gab es Einladungen zu einigen Festivals in Ungarn, unter anderem auch das vom ungarischen Metal Hammer organisierte Progressive Metal Festival. Wir gewannen auch einen nationalen Talentwettbewerb.
Wir beschlossen, dass der nächste Release ein vollständiges Album sein sollte und daher sahen wir uns auch nach Veröffentlichungsmöglichkeiten um. Unglücklicherweise gab es zu diesem Zeitpunkt nur zwei größere Labels, die Metal in ihrem Programm hatten und das Angebot, das wir schließlich annahmen, war von dem, das weniger Geld hatte und als wir mit den Aufnahmen beginnen wollten, ging es pleite, haha...
Wir erhielten zwar weiterhin Angebote doch von keinem konnte man sich eine befriedigende Zusammenarbeit erwarten.
Schließlich entschieden wir uns ein Album von hoher Qualität nach unseren Vorstellungen aufzunehmen weil uns diese Qualität wichtiger ist als rascher Erfolg, den uns vielleicht die großangelegte Promotion eines Labels eingebracht hätte. Wir sind eine geduldige Band, die vergangenen Jahre haben uns das gelehrt...


Und "Unusual" ist dann ja auch wirklich ein qualitativ hochwertiges Album geworden. Aber ihr habt nicht nur gute sondern auch sehr originelle Songs, die nicht so einfach einer Kategorie zuzuordnen sind. Was sind denn eure Einflüsse?

András: Viele Bands haben uns beeinflusst. Die Vocals sind beispielsweise an ALICE IN CHAINS und andere Grunge-Bands angelehnt. ALICE IN CHAINS sind auch was die Instrumentalarbeit angeht wichtig, genauso wie ANTHRAX, TOOL, oder auch MESHUGGAH, eben diese modernen, Riff-orientierten Metalbands. Daneben stehen aber auch noch ungarische Einflüsse, wobei der wichtigste - weniger musikalisch, eher was die Denkweise angeht - BARBARO, eine Folk-Alterock Band, ist.

Es gibt da einige wirklich tolle, stark von ethnischer/Folk-/World-Musik beeinflusste Teile. Ist die Volksmusik eures Herkunftslandes oder auch ethnische Musik anderer Kulturen - ich denke da an arabische, indische, fernöstliche - ein Einfluss für euch? Welches Verhältnis habt ihr zur Volksmusik Ungarns?

András: Wir sind schon stark von der ungarischen Volksmusik beeinflusst, wobei man diese nicht scharf von der der Nachbarländer abgrenzen kann, da sich die verschiedenen Volksmusiken gegenseitig beeinflussen. Trotzdem sind die ungarischen Elemente dominant und wir haben nicht versucht, in die World-Musik-Richtung zu gehen. Es ist nicht so, dass wir zum Beispiel indische oder arabische Musik gering schätzen, aber wir können nur unsere eigene Volksmusik authentisch spielen. Die Volksmusiktradition wird in Ungarn übrigens stark aufrecht erhalten, es gibt jedoch kaum Experimente wie unsere, die Rock mit dieser Musik verbinden und deswegen wird so etwas mit Unverständnis beobachtet. Sogar in der Popmusik hören die Leute lieber irische Folk-Einflüsse und das obwohl diese zwei Stile viel gemein haben. Folk Rock ist also nicht wirklich angesagt.

In diesem Zusammenhang würde mich auch interessieren wie die Flöte auf "Domestic Orders Only" und andere Songs kommt und wer sie gespielt hat.

András: Beim Demo-Material war schon eine frühe Version dieser Nummer dabei, auf der auch eine Flöte zu hören war, die allerdings etwas anderes spielte. Beide Versionen wurden von unserem Freund Jácint Jiling eingespielt. Er ist im positiven Sinne total verrückt, total Musik-besessen. Er ist eigentlich Folkmusiker, spielt die verschiedensten Instrumente und hat auch ein kleines Studio, in dem wir das vorhin erwähnte Demo eingespielt haben. Er sammelt Flöten und hat sie in allen Größen und aus allen Kulturen, von irischen Pennywhistles bis zu mehrteiligen "Monsters". Auf dem Album hat er sieben oder acht davon verwendet, darunter auch eine jüdische.
Auch die Soundeffekte zwischen den Songs wurden in seinem Studio hergestellt wobei interessant ist, dass er nur analog aufgenommene Instrumentenklänge verwendet hat, die dann mit dem Computer nachbearbeitet wurden. Es gab also keine elektronischen Soundsamples.


Um was geht es in den Texten der Songs auf "Unusual"? Über was schreibt ihr am liebsten? Gibt es irgendeine Form von Konzept?

András: Ja, im Grunde ist es ein Konzeptalbum. Die Themen und die Reihenfolge der Songs sowie die ungarische und die englische Sprache sind Ergebnisse eines Konzepts. Wir haben dabei versucht, alles so zu gestalten, dass es möglichst natürlich rüberkommt. Die Texte sind stark von den enthaltenen Folksongs beeinflusst. Die verschiedensprachigen Teile sind teilweise ineinander verflochten. Die Texte handeln größtenteils von negativen Gefühlen wie Todessehnsucht, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung in der Liebe.
Die Struktur dieses Albums könnte man mit folgendem Bild beschreiben: Eine Person sitzt zuhause in einem großen Lehnstuhl und starrt vor sich hin. Im Raum ist es dunkel, draußen geht die Sonne unter. Die Person denkt über ihr Leben nach und wird von den oben genannten Gefühlen überwältigt. Dieser Zustand wird im ersten Song beschrieben und jeder weitere handelt von einem dieser Gefühle. Der letzte Song stellt dann das Ende der Nacht dar. Der Morgen ist gekommen und obwohl unser Held keine Antworten gefunden hat, ist er wieder mit sich im klaren, weil er sich diese Dinge bewusst gemacht hat. Der letzte Song ist auch wesentlich freier gestaltet, mit einem Violin-Part am Schluss.
Das ist also ungefähr das Konzept, welches sich vor allem in der Stimmung wiederfindet, die die Songs verbreiten, denn die Texte sind nicht wirklich miteinander verbunden.
Es ist eine recht spirituelle Geschichte.


Wieso habt ihr überhaupt Teile der Songs in ungarisch eingesungen und nicht nur die englische Sprache verwendet?

András: Wir beschäftigten uns mit dieser Frage gleich zu Beginn der Bandgeschichte als wir uns überlegten, Metal mit ungarischer Volksmusik zu mischen. Natürlich schielten wir da bereits nach Westen und deswegen war klar, englische Texte zu verwenden, weil englisch einfach die Sprache der Rockmusik ist.
Doch es wäre für uns sehr unnatürlich gewesen Texte ungarischer Volkslieder ins englische zu übersetzen, denn die Sprachen unterschieden sich im Klang sehr voneinander, was die Volksliedteile unauthentisch klingen lassen würde, ihr Charakter wäre verfälscht.
Also entschlossen wir uns für eine Mischung als Lösung: Englische Lyrics mit ungarischen Einsprengseln.
Die ungarische Teile sind für uns gefühlsechter und ihre Darbietung leichter.


Euer Label heißt Brainmash genauso wie einer eurer Songs. Gibt es da einen Zusammenhang?

András: Ja, schon. Brainmash Records ist mehr oder weniger unsere Band.
Deswegen gibt es auch keine anderen Bands auf dem Label und wir planen auch nicht, andere Bands zu veröffentlichen, ganz einfach aus finanziellen Gründen. Hätten wir mehr Geld, würden wir schon andere Bands unterstützen, aber was das angeht, sieht's eher schlecht aus.


Und wie sieht's generell mit dem ungarischen Underground aus?

András: Wir haben schon viele gute Bands hier, das Problem ist nur, das es genauso viele Leute im Publikum wie in den Bands gibt.
Metal ist nicht so populär, Radio und TV spielt solche Musik so gut wie nicht und die Leute laden sich lieber Musik runter und hören sie zuhause anstatt zu Konzerten zu gehen. Daher zahlt es sich nicht aus, einen Club zu betreiben und es gibt als Folge nur wenige gute Clubs. Und dort hin geht dann auch wieder keiner, es ist also ein Teufelskreis. Die ungarischen Ableger multinationaler Plattenfirmen kümmern sich um Musik, die ohne Risiko einträglich ist und das kann Rockmusik nicht gewährleisten.
Rocklabels sind dann meist kleine Unternehmen von Enthusiasten, die dann früher oder später pleite gehen.
Deswegen sehen sich die meisten Bands nach Deals im Ausland um und die, die das schaffen geraten dann meist an kleine Labels, die sich nicht um sie kümmern.


Und was wird in Ungarn sonst so gehört von der Masse der Menschen?

András: Die meisten hören anspruchslose Popmusik, die sie von TV-Shows eingetrichtert bekommen. Die älteren stehen auf das, was ihr wohl "Schrammelmusik" nennt, und die jüngeren auf leicht verdauliche Eintagsfliegen-Pop-Hits.
Es gibt nur wenige Popproduktionen auf einem hohen Niveau, weil es einfach keinen Markt dafür gibt. Jazz hat aber schon sein Publikum, allerdings hauptsächlich in der Hauptstadt.
Aber egal ob Rock, Pop oder Metal, die Bands in unserem Land neigen dazu, angesagte ausländische Gruppen zu kopieren, was zum Beispiel dazu führt, dass wir im Moment einen Überfluss an Nu Metal Bands haben.


Wird man euch in nächster Zeit in Österreich oder wenigstens in der Nähe der Grenze live bewundern können? Und wie sieht's überhaupt mit Gigs bei euch aus? Erzähl uns doch noch was über eure Live-Erfahrungen.

András: Wir würden natürlich liebend gerne in Österreich spielen aber bis jetzt hatten wir äußerst wenig Gelegenheit außerhalb Ungarns zu spielen. Bis jetzt hatten wir nur Support-Gigs aber es würde uns natürlich freuen als Headliner aufzutreten.
Leider haben wir im Ausland nur wenig Kontakte, aber vielleicht wird sich das ja noch ändern.
Und gerade Österreich wäre ein Land, in dem wir gerne spielen würden.
In den vergangen Monaten mussten wir zwangsweise pausieren, da unser Drummer kurzfristig in die USA gezogen ist. Aber nachdem wir einen Ersatz für ihn und einen neuen Proberaum finden konnten, ist dieses Problem gelöst und einer baldigen Rückkehr auf die Bühne steht nichts im Wege.
Natürlich sind unsere Livegigs ein exotisches Erlebnis ohne Vergleich, oder glaubst du ich würde dir erzählen wir stehen gelangweilt auf der Bühne?
Jeder der kommt, um AEBSENCE zu sehen wird sich dran erinnern, egal ob er/sie den Gig gemocht hat.
Aber ihr werdet es lieben... this is somehing unusual!




www.aebsence.ini.hu/

Autor: Kronos

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Beitrag vom 10.07.2003
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