Interview mit THERAPY? - Gut gelaunt und viel gelacht


Ein warmer Sommertag, eine laue Brise und ein Round-Table mit den Helden seiner Jugend... Was, um des lieben Himmels Willen, kann man sich mehr wünschen. Martin Stieger und ich haben, zusammen mit einigen anderen Kollegen der schreibenden Zunft, die überaus gut gelaunten und bereitwillig Antwort gebenden THERAPY? zum Spätnachmittags-Plausch im Planet Music getroffen. Lest selbst, was Andy (auch: der Redeführer) und die Anderen (auch: die Stillen) über ihr Leben als Anti-Rockstars zu erzählen haben.



Reden wir übers neue Album

Ich denke, es ist das Beste, was wir seit Jahren gemacht haben. Die anderen Alben waren auch gut, aber das klingt wieder mehr nach Therapy, auch vom Sound her. Es ist sehr direkt, in your face. Es ist melodisch aber auch sehr heavy, es hat alle „klassischen“ Therapy-Elemente. Der Typ der Troublegum gemacht hat, hat das neue Album gemixt. Die Songs sind relativ kurz, um die drei Minute. Wir haben einfach das gemacht, was wir am besten können, würde ich sagen.

Wie lange habt ihr gebraucht?

Zehn Tage haben wir die neuen Songs geprobt, dann waren wir zwei Wochen im Studio. Das Mixen hat eineinhalb Wochen gedauert. Wir wollten alles relativ kurz halten. Manchmal, wenn man eine Platte macht, klingen die Songs im Proberaum richtig gut und wenn man dann vier Monate im Studio daran werkt, vergisst man manchmal, worum es geht. Vier Jungs die einfach spielen...

Wie motiviert ihr euch nach fast fünfzehn Jahren in dieser Band?

Ich persönlich, ich liebe was ich tue, ich liebe es wirklich und ich bin immer noch aufgeregt, was die Musik betrifft. Uns ist über die Jahre als Band genug schwieriger Scheiß passiert, aber man darf nicht vergessen, wir haben auch eine hervorragende Zeit. Wir lieben es, auf Tour zu gehen und wir lieben es, zu reisen und ins Studio zu gehen und Songs zu schreiben. Was wir machen ist ja auch keine Raketenwissenschaft, es ist was, das wir genießen können. Wenn wir das einmal nicht mehr tun, wäre es wohl an der Zeit aufzuhören. Aber der Moment ist noch nicht gekommen.

Wart ihr schon einmal nahe an so einem Moment dran?

Nein, nicht wirklich. Es gab schon Zeiten – letztes Jahr, als wir keine Drummer und keine Label hatten - wo wir uns fragten, wie viel Pech eine Band haben kann. Aber jetzt haben wir wieder einen weltweiten Vertrag, Neil ist zur Band gekommen, er ist ein fantastischer Drummer. Es gab nie einen Moment, wo es so schlimm war, dass ich rein gestürmt bin und gesagt habe, das war´s jetzt, ich geh zur Fremdenlegion.

Und was würdet ihr nach THERAPY? machen?

Ich denke, wir sind intelligent und gebildet genug, um irgendwas kreatives machen zu können. Ich hab mir nie gedacht, oh verdammt, wenn das morgen alles vorbei ist, muss ich Schuhe verkaufen.

Habt ihr auf euren letzten Gigs hauptsächlich ältere oder jünger Fans gesehen?

Es war lustig auf unserer letzten Tour in England, da waren viele End-Zwanziger und Anfang-Dreißiger. Es waren aber auch wieder viele jüngere Kids da, die ersten zwei Reihen waren voll mit denen. Es gibt da auch jüngere die von ihrem älteren Bruder die „Troublegum“ kriegen und dann das neue Album kaufen und auf die Shows kommen. Eine gute Mischung, wir werden ja sehen, was heute für eine Generation von österreichischen Fans kommt.

Wie viele Shows werdet ihr in Österreich spielen?

Wir werden im Sommer am Forestglade spielen und dann im September oder Oktober noch mal zurück kommen, denn das neue Album ist jetzt erst seit zwei Wochen heraußen.

Bevorzugt ihr das Studio oder die Bühne?

Ich mag es etwas lieber, live zu spielen. Im Studio zu sein ist großartig, aber auch anstrengend. Ich habe eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Ich spiele was ein und möchte dann gleich das Nächste machen und dann heißt es meistens, ich muss das noch zehn mal spielen oder so. Michael ist da viel besser, er kommt gut vorbereitet ins Studio und schaut, dass er alles richtig macht. Mir ist das auch egal, wenn ich einen falsch Akkord spiele. So what?




Die Texte auf allen Alben drehen sich meistens um die Liebe oder Drogen und Alkohol...

Das ist einfach meine Sicht auf die menschliche Befindlichkeit. Wenn immer man ein Lied schreibt, macht man das natürlich aus seiner eigenen Sicht. Ich versuche nie, für jedermann zu reden. Das Beste was ich machen kann, ist aus meinem Verständnis und meiner Perspektive heraus zu schreiben und wenn das dann jemand versteht, ist das schön. Viele denken sicher auch meine Texte sind erschreckend. Manchmal mache ich auch nur Spaß oder bin sarkastisch.

Was war euer schlimmster SPINAL TAB Moment als Band?

Hast du ein paar Stunden Zeit?! Wenn du dreizehn Jahre in einer Rock´n´Roll Band spielst, ist fast jeder Gig ein SPINAL TAB Moment. Gestern zum Beispiel hab ich allen gesagt, sie müssten nicht einkaufen, weil ich hier in Wien ein Shoppingcenter kenne. Als wir dann im Hotel angekommen sind, hab ich danach gefragt und die Rezeptzionistin sagt einfach: „Welches Shoppingcenter“. Na ja, ich hab es dann doch gefunden.
Oder man verläuft sich in den Hallen wo man spielt. Meine Hosen sind mal auf der Bühne gerissen und der kleine Mann hat raus gehangen. Oder man schreit „Hallo Stockholm“ und ist in Wirklichkeit in Malmö.


Aber euer Schlagzeuger ist noch nie explodiert.

Nein, aber mal sehen was heute Nacht passiert...

Seht ihr euch als Rockstars?

No! Überhaupt nicht. Wenn ich mit meiner Frau und meinem Kind einkaufen bin, kommt immer jemand her und sagt „bist du Andy von THERAPY?, kann ich ein Autogramm haben?“ und ich wundere mich immer. Wir führen nicht diesen Lifestyle. Wir bauen keine Barriere zwischen uns und anderen Menschen auf. Wir kommen aus einem kleinen Kaff in Nord-Irland und das ist nicht besonders glamourös. Unsere Familien halten uns auch am Boden. Es ist ja auch nicht besonders glamourös um zwei Uhr in der Früh Windeln zu wechseln.

Hat euch diese Down-to-earth-Einstellung lebendig durch die Neunziger Jahre gebracht? Viele der Bands von damals gibt´s nicht mehr und ihr habt als Band und als Menschen überlebt...

Ich denke schon. Wir sind zum Beispiel mit den MANIC STREET PREACHERS befreundet. Sie haben uns damals in Frankreich supportet und wir haben das zu der Zeit alles mitgekriegt, wie Richie [Edwards, Gitarrist bei den MANIC STREET PREACHERS] verschwunden ist. Wir haben das auch bei anderen Bands – deren Namen ich hier nicht nennen will – mit denen wir befreundet waren, mitbekommen. Auf einmal sind sie mit einem Hit arrogante Superstars geworden und wurden dann aber genau so schnell wieder gedroppt. Die trifft man dann auf der Strasse und die gleichen, vorher noch arroganten, Leute quatschen dich an und wollen dann mit ihrer neuen Band als Support spielen. Das brauchen wir nicht, fuck off, weißt du. Sie werden berühmt und vergessen plötzlich all ihre alten Freunde, ihre Familie, und checken nicht, dass jeder vielleicht nur seine fünfzehn Minuten Ruhm hat. Wenn man die Musik liebt, kann man eine Karriere daraus machen, egal wie viel man verkauft. Mir ist es wichtiger, wenn wer zu mir kommt und sagt „He, ich habe euer Album und dieser oder jener Song hat mir wirklich geholfen“, als der große Superstar zu sein.

Hat sich eure Arbeitsweise als Band verändert nachdem Neil zur Band gekommen ist?

Neil ist großartig, er bringt wirklich super Ideen in die Band ein. Es ist gut mit ihm zu spielen!

Ich habe mal gelesen, dass ihr Bands wie BIG BLACK mögt. Wolltet ihr nie ein Album mit Steve Albini aufnehmen?

Ja, das war vor Jahren. Bevor wir „Troublegum“ aufgenommen haben waren wir bei Touch And Go gesigned und dann haben wir zu A&M gewechselt und irgendwie ist da dann nie etwas daraus geworden. Für „Suicide Pact“ hat unser Management dann noch einmal angefragt. Zu der Zeit war er aber mit SHELLAC beschäftigt. Aber der Mann hat wirklich einige verdammt gute Platten produziert.

Seid ihr noch in andere Projekte involviert? Produzieren oder was in die Richtung.

Neil: Ich habe mein eigenes Label, da läuft aber alles auf DIY ab. Wir veröffentlichen hauptsächlich kleine Auflagen von 7inch Singles und CDs in England und ein paar Scheiben schaffen es auch nach Japan.


Tja, dann wurde noch ein wenig über die Kollegen von TURBONEGRO gequatscht und schon war die Zeit vorbei. Aber, schön war´s und was haben wir gelacht...


www.therapyquestionmark.co.uk

Autor: Gregor

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Beitrag vom 03.06.2003
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