Interview mit SEPULTURA - Die Nationalhelden Brasiliens


SEPULTURA, die auf einer kurzen Promo Tour zum anstehenden Album „Roorback“ in Europa unterwegs waren, machten am 6.4. in Wien halt. Natürlich war es für mich absolute Pflicht Andreas Kisser, den Mann an den 6 Saiten mal zum aktuellen Status seiner Band zu befragen.

Hi Andreas, wie läufts momentan mit der Tour?

Es läuft sehr gut. Wir spielen Gigs in kleinen Locations, geben viele Interviews und erzählen einiges über das neue Album. Nach der Europa Promo-Tour fliegen wir in die USA, wo wir mit VOIVOD gemeinsam auf Tour gehen werden. Danach wird unser Album released und wir werden wieder zurückkommen.


VOIVOD mit Jason Newsted (Ex-METALLICA)

Genau, mit Jason.


Ihr seid ja befreundet mit Jason, und habt ein paar Songs mit ihm aufgenommen, nicht wahr?

Ja genau, wir waren bei ihm im Haus und haben etwas herumgejammt, wir haben uns nie gedacht, daß das veröffentlicht wird. Die Session war einfach nur zum Spaß.


Wieviele Stationen umfasst die Europa Promo-Tour?

13 Konzerte sind eingeplant. Am 13.4. ist unsere letzte Show in London, danach geht es nach Amerika.




Wann habt ihr eigentlich das neue Album „Roorback“ aufgenommen? Gleichzeitig mit den Aufnahmen zu „Revolusongs“ oder danach?

Die „Revolusongs“-EP haben wir im August aufgenommen und sie wurde im Dezember in Brasilien veröffentlicht. Mit den Aufnahmen zu „Roorback“ haben wir Anfang Jänner begonnen. Es war damals so, daß wir keinen Deal und keinerlei Support von einem Label hatten. Wir spielten ein paar lokale Gigs in Brasilien und hielten Ausschau nach einem neuen Deal. Die „Revolusongs“-EP haben wir zu diversen Labels gesendet und uns damit um einen Vertrag beworben. Als der Deal schlußendlich fixiert war, haben wir uns an die Arbeit zum neuen Album gemacht. Die EP wird hierzulande im Special Package als Bonus CD zum neuen Album veröffentlicht.


Hat „Roadrunner“ den Vertrag mit euch beendet, oder seid ihr freiwillig gegangen?

Es war für beide Seiten gut. Wir hatten seit 1988 einen Vertrag über 7 Alben mit ihnen, das war eine verdammt lange Zeit. Wir hatten sehr gute Zeiten mit Roadrunner erlebt aber auch schlechte Zeiten, insbesondere als Max die Band verlassen hat. Es war nicht optimal daß beide Bands (SEPULTURA & SOULFLY) beim gleichen Label unter Vertrag waren. Sie wollten die „alten“ SEPULTURA und wir wollten die „neuen“ SEPULTURA. Außerdem wurde Derrick vom Label nicht als neues Bandmitglied akzeptiert und bekam das auch zu spüren. Es war einfach eine zu lange Beziehung und es standen viele Leute herum, die nur an die Vergangenheit und nicht an unsere Bandzukunft dachten. Wir brauchen aber Leute, die an uns glauben und uns in der Zukunft unterstützen.


Und nun seid ihr bei SPV unter Vertrag?

Ja genau, SPV ist unser neues Label für Europa, JVC Music für Japan und Asien. Wir sind aber noch auf der Suche nach einem Vertrieb für die USA.


Wie ist eure Beziehung zu Max? Insbesondere die zwischen Igor und Max?

Wir haben keine Beziehung und keinen Kontakt mehr seitdem er die Band verlassen hat. Die Situation damals war sehr bitter und sehr schwer für jeden von uns und wir hatten nie die Möglichkeit darüber zu sprechen. Auf professionellem Niveau geht jede Band ihren Weg, aber persönlich herrscht zwischen uns Funkstille.


Auch zwischen Igor und Max? Sie sind ja immerhin Brüder?

Auch zwischen ihnen herrscht Funkstille.


Du hast vor den Aufnahmen zu “Nation” bei einem Soundtrack zum Film “No Coração dos Deuses” mitgewirkt. Wie kam es dazu?

Die Produzenten wollten etwas Percussion für den Soundtrack. Sie haben sich „Roots“ angehört und anschließend bekam Igor einen Anruf von ihnen. Kurze Zeit darauf riefen sie mich an und engagierten mich für einige Gitarrenparts. Es war für mich eine Herausforderung Musik für eine bestimmte Szene zu schreiben. Man ist ziemlich eingeschränkt in dieser Situationen, aber das war eben der Reiz daran.


Sind weitere Filmprojekte geplant?

Ich habe bereits bei einem anderen Film musikalisch mitgewirkt. Der Film ist nur für den Markt in Brasilien bestimmt und heißt „Belini e a Esfinge“.


Ihr wohnt ja in Brasilien, Sao Paulo wenn ich mich nicht irre?

Ja wir wohnen alle in Sao Paulo.

Ich frage deswegen, weil Max letztes Jahr in einem Interview gemeint hat, daß es für ihn verdammt gefährlich sei, weiterhin in Brasilien zu wohnen und daß er Angst um seine Kinder hätte. Lebt ihr auch mit dieser Angst?

Sao Paulo ist eine sehr große Stadt und es gibt viele schlechte Sachen wie z.B. Drogenhandel, organisiertes Verbrechen…. so wie in jeder großen Stadt auf der Welt. Aber ich glaube, momentan in den USA zu leben ist um einiges riskanter als in Brasilien. Es gibt keinen Platz der absolut sicher ist. Sao Paulo ist mein Zuhause, ich fühle mich dort wohl und will von den Problemen nicht flüchten. Jede Stadt hat ihre schlechten Gebiete, so wie Wien auch, vielleicht befinden wir uns gerade in so einem Gebiet.
Wir werden in Brasilien bleiben, Derrick ist übrigens vor Jahren nach Sao Paulo umgezogen.



Wieso habt ihr das neue Album in Brasilien aufgenommen?

Wir wollten nicht weit weg von zu Hause sein. Wir haben in Rio de Janeiro aufgenommen. Es war nicht weit weg von zu Hause und wir konnten oft unsere Familien besuchen. Außerdem war das Studio sehr günstig. In den USA würde ein gleichwertiges Studio mindestens das dreifache kosten. Somit haben wir Zeit und Geld gespart und waren außerdem zu Hause.


Sind wieder ein paar Gäste auf dem Album zu hören? Auf dem lezten war ja Jamey Jasta von HATEBREED zu hören

Nein, diesmal haben wir die Tür geschlossen. Nur wir als Band ohne Gäste, diesmal wollten wir alleine an den Songs arbeiten


Spielt Derrick nun Gitarre?

Ja, er greift bei einigen Song in die Saiten. Live spielt er mit, im Studio hat er keine Gitarrenparts eingespielt, weil er es noch nicht so gut beherrscht. Er war in seiner Band vor SEPULTURA Gitarrist, spielte aber nur Hardcore-Zeug. Wir bei SEPULTURA hingegen haben anderen musikalischen Background (SLAYER, EXODUS), aber schön langsam wird es was bei ihm, er übt fleißig.


Wie fühlt man sich als „Nationalheld“ in Brasilien? Ihr seid jedem Brasilianer ein Begriff

Wir bekommen von allen Leuten großen Respekt. Sie erkennen, was wir außerhalb Brasiliens erreicht haben an. MTV-Brasil spielt unsere Videos und auch diverse Radiostationen spielen unsere Musik. Es hat aber auch lange gedauert, bis uns alle ernst genommen haben.
Sogar die Politik interessiert sich für uns. Der neue Kulturminister in Brasilien, der selber ein Musiker ist, versucht uns in diverse Projekte zu involvieren, was uns sehr ehrt.



Seid ihr eine „politische“ Band?

Ja sicher. Jeder von uns hat mit Politik zu tun. Jeder geht wählen, zahlt Steuern….Wir versuchen mit unserer Musik die Sachen, die wir sehen, zu zeigen und nach einer positiven Lösung zu suchen. „Anti-War“, „Anti-Stupidity“, „Anti-Racism“ - das sind unsere Botschaften.


Der Song „Territory“ aus dem Jahre 1993 ist nun aktueller denn je. Welche Möglichkeit seht ihr um das Nah-Ost Problem zu lösen?

Ja das stimmt leider. Die Situation hat sich nach dem 11.9.2001 ganz besonders verschlechtert. Wir glauben aber keineswegs an eine Lösung durch Gewalt. Es gibt immer einen friedlichen Weg, Menschen wie Martin Luther King, Mutter Theresa aus Kalkutta oder Gandhi sind die besten Beispiele dafür.
Krieg verursacht nur Hass und Zorn. Die Kinder im nahen Osten kommen auf die Welt und haben einen enormen Hass, obwohl sie den Grund dafür gar nicht kennen. Im nahen Osten geht es um ein Verbrechen, welches über die Jahre legalisiert wurde, weil es einfach jeder macht: ein okkupiertes Land besiedeln!
Eine konkrete Lösung für das Problem wissen wir leider nicht, aber wenn es eine Lösung gibt, so muss diese friedlich sein! Gewalt hat auf Dauer keine Chance!



Als ihr 1996 in Österreich wart, habt ihr in großen Hallen gespielt. Macht es euch was aus, daß ihr jetzt in kleine Locations ausweichen müsst?

Diese Tour ist nur eine Promo-Tour. Wir hätten auch einfach nur vorbeikommen und Interviews geben können, aber wir wollen unseren Fans Konzerte anbieten. 1996 hatten wir vor der großen „Roots“ Tour eine Club-Tour in Europa, ebenfalls so eine kleine Promo-Tour. Nach dem Erscheinen des Albums im Mai werden wir versuchen auf größeren Konzerten und Festivals zu spielen.


Mir ist es zu Ohren gekommen, daß Derrick als Schwarzer von manchen Fans nicht akzeptiert wird. Ist da was dran?

Es passiert sehr selten. Die Rassisten haben einfach nicht den Mut, das zu sagen, was sie wirklich meinen. Sie sind nur in der Gruppe stark, wenn sie alleine sind, sind sie ganz anders. Und schau dir mal Derrick an, er könnte ganz einfach irgendjemanden „beseitigen“, der sich ihm in der Weg stellt. Rassismus ist leider etwas menschliches und eben überall.


Was machst du in deiner Freizeit in Brasilien?

Ich verbringe Zeit mit meiner Familie, spiele etwas Gitarre und 1x pro Woche spiele ich Fußball.

Deine Lieblingsmannschaft?

Sao Paolo. The best, „Das Beste Fußball in der Welt“


Letzte Frage, unsere Zeit ist leider schon vorbei, wie siehst du das Thema „MP3“?

Ich finde es gut, aber es passierte einfach zu schnell. Der Typ von Napster, die Bands (METALLICA) oder die Labels wurden einfach überrumpelt und wussten nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ich sehe es als neue Möglichkeit für die Musik.
Verkaufte Tonträger sind für uns nicht die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen, das Touren bringt uns auch etwas ein. Man muss eben umdenken.
Wir möchten, daß die Leute fair sind. Wenn einem die Musik gefällt, soll er auch dafür zahlen, und wenn keine Labels zwischen dem Künstler und dem Musikfan sind, ist es umso besser für beide Seiten




Nach dieser Frage war leider unsere Interviewzeit vorbei. 30 Minuten, die im Nu vergangen sind. Andreas hat mich durch seine Gelassenheit und Bodenständigkeit beeindruckt. Selten, daß man einen Superstar trifft, mit dem man wie mit einem Kumpel ganz locker plaudern kann.

Zum Schluss gab´s noch einen kurzen Gruß an die Earshot-Leser. Einfach >>>HERE<<< auf den Link clicken um das MP3 File anzuhören.

www.sepultura.com.br

Autor: Marin

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Beitrag vom 25.04.2003
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