Interview mit SACRIFICED - vertreten durch Gitarrist Andreas Siegl




SACRIFICED - Inter Mundia

Bereits ein gutes Jahr hat dieses gediegen eigenproduzierte Album der süddeutschen SACRIFICED auf dem Buckel. Zelebriert wird melodischer Death Metal mit schwerer Göteborg-Schlagseite, rund einer halben Stunde Spielzeit, verteilt auf acht Songs. „Inter Mundia“ markiert bereits die dritte, offizielle Veröffentlichung des Fünfers nach einer Mini und dem Vorgänger „Witchcraft“ - ein Demo nahm man nie auf - was natürlich für die Reife der Band plädiert. Und tatsächlich kommt trockener, aber kompakter Sound aus den Boxen gewabert, welcher zwar die üblichen Attribute des klassischen Schweden-Deaths aufweist, selbige allerdings nicht bis zum Klischee ausreizt; die Rede ist von vereinzelt cleanem Gesang, hochmelodiösen Leads vis-a-vis zu Grunts und Doublebass. Die Aufmachung der gepressten, sauber gelayouteten und mit sämtlichen Lyrics versehen CD, entspricht freilich nicht ganz bekanntem Labelniveau, kann sich jedoch im Underground echt sehen lassen. Ein Album, das man gerade wegen der dynamischen Spielzeit und den sehr schönen Soli gerne öfters hört, ohne gleich an early IN FLAMES denken zu müssen und darüber hinaus den Werken ihrer Kumpels aus Ulm, FLESHCRAWL, durchaus ebenwürdig!

Das Gespräch beginnt zunächst mit einem kleinen Smalltalk über die neue SATYRICON, speziell über „Repined Bastard Nation“, Track sechs auf dem jüngst veröffentlichten „Volcano“:

Tobias: Hast Du Dir den Text von „Repined Bastard Nation“ schon angesehen?




Andreas: Ich kenne den Song vom Rock Hard Sampler, allerdings nicht den Text…


T.: „Do we need another bastard nation… / another force-fed disgust / Do we need another bastard nation... / aiming at us [...] “ – bitterböser Anti-Amerikanismus; Hey, Black Metal wird politisch!



A.: Aber auf glaubwürdige und intelligente Weise und nicht holzhammermäßig.


T.: Die Frage nach den musikalischen Einflüssen SACRIFICEDs ist ja unvermeidlich, IN FLAMES treffen es wohl am genauesten.



A.: Definitiv, allerdings: Angefangen haben wir als Power Metal-Band, waren im absoluten MAIDEN-Wahn, was man heute nicht unbedingt heraushört. Ich war damals kein Death Metal-Fan und im Grunde etwas intolerant gegenüber Gegrunze, mochte und wollte einfach klaren Gesang und natürlich viel Melodie. Der Matze jedoch (Mathias Zell, guit.) war mir zum damaligen Zeitpunkt (1995/96) hinsichtlich Melodieverständis und Spieltechnik haushoch überlegen, so dass meine Riffs einfach nicht so gut wie seine waren. Somit wäre es ja unsinnig gewesen meine Riffs zu nehmen, wenn er viel geilere auf Lager hatte, mein Einfluss auf’s Songwriting war nie sonderlich groß. Und da er und sein Bruder Christoph (dito Zell, dr.) damals schon viel Death Metal gehört haben, ergab sich unser Stil zwangsweise, schon auch deshalb, weil wir nie einen Sänger fanden, der clean singen
konnte.


T.: Wobei ja in den Credits zu „Inter Mundia“ „all Songs written by Sacrificed“ zu lesen ist?



A: Der Matze ist da sehr bescheiden, eigentlich hätte er auch schreiben können all songs written by Mathias Zell. Ich hab’ mich mehr auf die Businessseite gestellt und da die Aufgaben übernommen, während Mathias eher das musikalische Genie im Hintergrund ist.
(Eine Aussage, die gar nicht mal so übertrieben wirkt, wenn man bedenkt, dass Mathias „Inter Mundia“ im Alleingang auf billigstem Behringer-Equipment produziert hat, d.Verf.)
Das führte zu einer etwas schizophrenen Situation, weil ich die Band nach außen hin repräsentiere, Konzerte organisiere usw., und damit immer mit der Band in Verbindung gebracht werde, obwohl Matze der musikalische Kopf ist.


Wie jede Band haben wir als erstes versucht Cover zu spielen. Wir wollten „Fear Of The Dark“ covern und sind kläglich daran gescheitert. Aus der Not heraus nicht das covern zu können was wir wollten, sind wir dazu übergegangen eigene Songs zu schreiben. Am Anfang war jeder am Songwriting beteiligt, bis sich so langsam herauskristallisiert hat, dass Matze einfach die besseren Songs schreibt. Die Tatsache, dass wir nie Covers gespielt haben, sollte sich als Vorteil erweisen, denn so konnten wir recht schnell einen eigenständigen Stil entwickeln. Im Grunde spielten wir damals Power Metal mit Gegrunze. Mathias hat die Vocals übernommen, was allerdings nur eine Notlösung darstellte, mit der ich gar nicht sonderlich zufrieden war. Als dann der Sänger Michael Farkas in die Band kam, ein großer Death / Black Metal-Fan, haben wir uns dazu entschlossen melodiösen Death Metal zu spielen, was ich dann auch endgültig eingesehen habe.


Großes Glück war der Band bei den Aufnahmen zur ersten Mini-CD beschieden…



A.: Das Ellwanger Jugendzentrum, in dem wir geprobt haben, steht im regen Austausch mit dem Londoner Heatham House, einem JuZe in Twickenham, das über ein kleines, digitales Aufnahmestudio verfügt. Dort durften wir kostenlos aufnehmen, ein sehr guter Producer stand uns zur Seite, der das Material aber nicht mehr mastern konnte und es uns erst Monate später zukommen ließ. Im Rahmen dieses Trips spielten wir außerdem drei Gigs, einer vor gut 600 Leuten.


SACRIFICED - Like A Withered Rose (EP)

Was im Booklet des Vier-Trackers bescheiden als “Intro” bezeichnet wird, entpuppt sich während des ersten Hörens als originelle, instrumentale Einführung in das Debut einer Band, die zum Zeitpunkt der Aufnahmen kaum volljährig war. Der Sound der Mini ist freilich Low Fidelity, dennoch sauber, ergo hörbar. „As They Moan“, der erste Song, beginnt mit einer atmosphärischen Doom-Passage, geht dann in ein Gebräu aus DEATH-Zitaten und Gothic-Metal über, das an vielen Stellen im Geschmack an sehr alte AMORPHIS erinnert. Deutlich uptempo schlägt sich der rabiate Titelsong im Anschluss durch die Gehörgänge. Markant: Die erstaunlich authentischen Vocals und die gern solierenden Gitarren. Abermals um Originalität bemüht, eröffnet man „A Winter Dream“ mit einem JETHRO TULL-artigen Flötensolo, auf das eine weitere, engagierte Death / Gothic Metal-Komposition folgt.

1999 wurde unter ähnlich spontanen Umständen der Nachfolger “Witchcraft” eingehämmert:




A.: Die Aufnahmen wurden innerhalb von drei Tagen im Ellwanger JuZe mit zwei Acht Spur-Recordern eingeholzt. Der Produzent Stephan Schäfer, dem das ganze Recording Equipment gehörte, hat uns zwar einen guten Preis gemacht, trotzdem war einfach kein Geld da – wir waren ja alle noch Schüler. Das Tempo war mörderisch, Zeit für Experimente hatten wir nicht, geplante Keyboardpassagen mussten unter den Tisch fallen.


Dennoch wusste „Witchcraft“ den Bekanntheitsgrad von SACRIFICED erheblich zu erhöhen:



A.: Dafür großen Dank an Martin Graf vom Legacy, der sich „Witchcraft“ gekauft hat, uns auf die Heft-CD vom Legacy gebracht und reviewt hat, er hat uns öfters live gesehen, ein Interview gemacht und so die Verkäufe von „Witchcraft“ erheblich angehoben.


SACRIFICED - Witchcraft

Mit „Witchcraft“ beweisen die Ellwanger, dass sie es ernst meinen, sehr ernst sogar. Instrumentale Fähigkeiten, Produktion, der Gesang, Artwork, alles bewegt sich auf einem semiprofessionellen Niveau, den Underground in technischer Hinsicht hinter sich lassend, die großen Vorbilder werden nicht mehr kopiert, allenfalls variiert. Zunehmende Eigenständigkeit ist den sieben Kompositionen anzuhören, darunter die, vom Vorgänger bekannten, „As They Moan“ und „Like A Withered Rose“ in perfektionierten Versionen. Man musiziert sich durch eigene musikalischen Präferenzen und lässt sich von den besten aus Death, Black, Power und Doom Metal inspirieren. So formiert sich vor dem Hörer eine wahrhaft europäische Klangarchitektur mit englischer Schwere als Fundament, deutschem Melodieverständnis als Mauerwerk und skandinavischer Melancholie als Dachgebälk. Ein abwechslungsreiches Stück Schwermetall mit gut kickenden Drums und Bassspuren, konservativen Grunts und erneut exquisit melodische Gitarren, die sich nicht selten an MAIDEN orientieren. Hinter dem Titeltrack verbirgt sich zudem ein sehr geiles Instrumental als Hiddentrack, das nun ganz und gar versteckt werden braucht!


T.: Was kann man von euch in der Zukunft stilistisch erwarten?




A.: Dadurch dass wir kommerziell nun überhaupt nicht erfolgreich sind, stehen uns alle Möglichkeiten offen. Da an SACRIFICED keine Erwartungen geknüpft sind, genießen wir totale Narrenfreiheit, was sich meiner Meinung nach auch bei „Inter Mundia“ zeigen lässt: Wir haben mit „As Love Turns To Hate“ einen Song in SENTENCED / Amok-Tradition mit rockigen Einflüssen…


…und sehr melancholischen Lyrics…



…das ist fast ein Trademark von uns, wobei ich nicht allzu viel über die Texte sagen kann, das ist das Terrain von Kaktus.


T.: Kaktus ist?



A.: Unser neuer Sänger (laut Personalausweis Markus Benoit), der parallel auch bei FATERED singt. „Killing Fields“ ist ein klassischer Thrash-Song, „Theatre Of Life“ könnt’ von einer Doom Metal Band sein und „My Last Battle“ klingt ziemlich Black Metal wegen seiner Blast Beats. Man darf das ja fast nicht sagen, aber als seinerzeit die erste H.I.M. veröffentlicht wurde, ist ein Song entstanden – wurde leider nie aufgenommen, sollten wir mal machen – der musikalisch eben H.I.M. ist. Mathias und ebenso wir anderen schätzen auch SYSTEM OF A DOWN und lassen uns von ihnen inspirieren…


Rock Hard Kühnemann behauptet ja, die Band schlage die Brücke zwischen SLAYER und NuMetal-Anhängern…



…wobei der Kühnemund die Fresse halten soll! Der hat die Band im Soundcheck regelmäßig verhungern lassen bis zu diesem Entschuldigungsreview zu „Toxicity“. Um zu SACRIFICED zurückzukehren: Meiner Meinung ist die „Inter Mundia“ schon recht abwechslungsreich ohne dabei einen gewissen Rahmen zu sprengen; und das gibt der Band eine Art Daseinsberechtigung.


Wir erheben unsere Jacky-Gläser und stoßen auf Chuck Schuldiner an, dessen Name während des Gesprächs mehrmals fällt…



A.: Ja, wirklich totschade…


Ungeachtet des makabren Kommentars frage ich nach den Liveaktivitäten.



A.: Wir haben uns eine Weile lang gesagt, wir spielen in jedem Loch, scheißegal was es uns kostet. Inzwischen geht das einfach nicht mehr. Wir studieren alle, so idealistisch wir das auch sehen: Es geht einfach nicht mehr. Inzwischen müssen wir feststellen: Wenn unsere Kosten nicht gedeckt sind, spielen wir nicht. Verdienen tun wir sowieso nichts.





Inzwischen haben SACRIFICED Gigs in allen Winkeln Baden-Württembergs gezockt und sind dabei sich in Bayern einen Namen zu machen. Auf einen kleinen Undergroundevent in Basel kann man gleichfalls zurückblicken, wie auf eine weitere, kleine Englandtour, in deren Rahmen man sogar den altehrwürdigen Astoria Club beehrte:



A.: Unser einziger Gig unter absolut professionellen Bedingungen: Wir hatten Security, Roadies, Groupies, …Da ist heiliger Grund. AEROSMITH haben im Astoria gespielt, LED ZEPPELIN, METALLICA. 700 Leute waren da, die total mitgegangen sind, und das bei einer regionalen Band aus Schwaben! Wenn ich in Stuttgart einen Gig organisiere kommen 30 Leute, in Berlin kommen 15…


T.: Die Engländer werden wohl metalmäßig geradezu ausgehungert sein.



A.: Definitiv. Die Szene aus London bestand nur aus NuMetal-, Grunge und Punk-Bands. Ich hab’ dort keinen einzigen Death Metal-Musiker getroffen – Death Metal-Fans gab’s genug!


T.: Wie haben die Labels auf „Inter Mundia“ reagiert?



A.: Wir haben insgeheim gehofft ein Label zu finden, das das Album nochmals richtig releast; es gab auch Angebote, leider war da nichts seriöses dabei. Aus Litauen lag ein Angebot vor, das ich gern angenommen hätte, allerdings waren die Jungs dagegen. Im Nachhinein muss ich ihnen auch Recht geben, wir hätten keinerlei Kontrolle gehabt. Die Jungs von BLACK ABYSS, bei denen ich jetzt Bass spiele, waren z.B. bei Last Episode; deren Labelboss ist ein Verbrecher. Er hat das Album in der Tschechei pressen lassen mit einem ganz billigen Booklet, in dem auch noch stand „all songs written by Steve Harris“. Die Jungs haben bis heute keine Abrechnung gesehen, kriegen aber Mails aus Brasilien, Spanien, Italien. Es muss also schon einiges verkauft worden sein. Bei Century Media hieß es, die CD lasse sich nicht vermarkten (obwohl bei den Dortmundern DARK TRANQUILITY unter Vertrag stehen, eine stilistische Referenzband für SACRIFICED).


T.: Noch ein paar letzte Worte?



A.: Ja, die Österreicher wird es wahrscheinlich wenig jucken, aber: Ab in den Rockhof in Ellwangen! Auf das die Kneipe nicht zumachen muss. Die Betreiber sind absolute Idealisten mit fairen Preisen und gute Musik läuft auch.




www.sacrificed.de

Autor: Tobias

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Beitrag vom 10.03.2003
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