Interview mit STEREO MC`S


Groove Quake, der erste Tag: Nachdem ich gemütlich vor der Bühne sitzend anderthalb Stunden auf mein Interview wartete wurde ich fast Hand in Hand (da die Backstage-Pässe seit dem „CAKE-Vorfall“ vom 07.07.02 nicht mehr so leicht zu ergattern sind) durch den heiligen Backstage-Bereich von Österreichs größtem Festival in Wiesen geführt. Was mich hinter der Bühne am meisten erstaunte, war ein ganzer Zug, bestehend aus mehreren Waggons, wobei diese Waggons eben die einzelnen Räume für die einzelnen Bands des Festivals sind. Am STEREO MC’S – Waggon angekommen wurden mein Kollege vom Musikjournal „Gap“ und meinereiner Rob und Nick, den Hauptköpfen der STEREO MC’S vorgestellt. Die äußerst sympathischen Engländer, die seit ihrem 92er Hit „Connected“ wohl so jedem Musikbegeisterten ein Begriff sind, gaben uns sehr redewillig ihre Antworten.

Flusssaeure: Könnt ihr immer noch nervös sein vor einem solch großen Konzert, oder ist das Lampenfieber schon Routine?

Nick: Natürlich sind wir nervös. Wir alle werden in einer bestimment Art nervös, kein Zweifel.

Flusssaeure: Das überrascht mich etwas, da ihr doch so große Stars seid und so viele große Konzerte gespielt habt!

Rob: Wir sind keine großen Stars. Wir sind auch immer noch etwas verängstigt große Konzerte zu spielen.
Nick: Das zählt aber fast für jede Show, sogar kleine Shows, wenn da auch nur 10 Leute sind. In Wahrheit ist es oft schwieriger ein Konzert vor 10 Leuten zu spielen, als vor 10000 Leuten.
Rob: Sehr große Konzerte sind so etwas wie eine kalte Dusche. Auf kleineren Konzerten spürst du dafür die direkten Vibes aus dem Publikum.


Gap: Ihr macht also immer noch kleinere Gigs auch gern, so wie letztes Jahr im Flex in Wien?

Nick: Wie die Gigs in diesem Jahr, diese mag ich sehr gern. Wir wollen ein neues Album rausbringen und wollten nicht schon wieder für ein weiteres Jahr verschwinden. So machen wir diese Shows um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Aber wir machen auch gerne kleine Konzerte, sie sind in ihrer Art meine liebsten Konzerte, wenn ein Club mit 1500 Leuten gerammelt voll ist. Ich mag es nicht besonders im Tour-Bus zu leben und 20 Shows in einer Reihe zu spielen.

Flusssaeure: Das Feedback vom Publikum ist ja auch besser!?

Nick: Ja, der Kontakt ist einfach enger.

Gap: Seht ihr es als gutes Zeichen, daß ihr nach sovielen gut verkauften Releases immer noch der Cultur-Club-Szene angehört, mehr als der MTV-Pop Szene?

Nick: Ich glaube es ist nicht so einfach in der Musik-Szene, denn jeder versucht immer groß rauszukommen. Das ist aber ziemlich deprimierend, denn dadurch gibt es einfach zuviel, daß gleich klingt. Um ehrlich zu sein, ich wäre ziemlich deprimiert wenn ich immer so große Konzerte geben würde wie z.B. U2. Ich glaube zwar, daß sie es mögen und es auch schaffen sich so umszustellen, als ob sie nur einen kleinen Club-Gig spielen, mit Ausnahme der 60000 Leute. Aber ich glaube, du beginnst etwas distanziert über die ganze Sache zu denken.

Gap: Und ihr habt Abstand davon genommen, da ihr bereits ja die große Stadium-Tour hinter euch habt!?

Nick: Ja, denn wir haben ja auch kein neues Album rausgebracht für lange Zeit. Wir mußten uns daran erinnern, was wir wirklich gerne tun, uns wieder aufbauen.

Gap: Glaubt ihr, daß ihr aufgrund der langen Pause von 9 Jahren so was wie den Ruf der „legendären STEREO MC’S“ bekommen habt?

Nick: Vielleicht. Aber wir haben auch sowas angehängt bekommen wie „kommerzieller Selbstmord“. Shit happens, du mußt halt immer das machen, was du am liebsten tust. Manche unserer Scheiben kamen gut an, manche weniger, das macht das ganze aber nur interessanter. Wie ein Wettkampf.

Flusssaeure: Ihr habt eure Art des Musikmachens mit KRAFTWERK verglichen? Oder?

Nick: Wir haben uns nicht wirklich mit ihnen verglichen. Sie haben ja sehr viel Musik, auch Hip Hop sehr beeinflußt. It’s like the robotic kind of menotiny. Sie sind einfach jene Art der Gruppe die dich beeinflußt.

Gap:Ein Zitat von euch lautet: „Some things you do and you just roll with it, and as long as you keep rolling with it and taking the punches you’re allright.“. Ist das etwas was ihr auch durch die Musik zu den Leuten bringen möchtet? „Get yourself connected, but you might get deep down and dirty“?

Rob: Wir schreiben nur Musik. Wir möchten aber etwas rüberbringen, daß etwas an Motivation in sich trägt. Wir wollen keine Alben machen, die die Leute schwach fühlen lassen. Sogar wenn du von etwas von Negativem singst, kannst du es in Energie umwandeln. Das ist unsere Motivation. Laß die Dinge laufen.
Nick: Du gehst immer weiter in deiner Musik. Es war schwierig, denn nach „Connected“ glaubten die Leute, daß wir gleich wieder eine sehr ähnliche Scheibe veröffentlichen würden. Aber du kannst niemals das gleiche zweimal bringen. Wir lieben es Musik zu machen und das zu tun was wir fühlen.
Rob: Du brauchst nurmal an Charactere wie Bruce Lee zu denken und was sie repräsentieren. Es spiegelt nicht die schönen Seiten des Lebens, aber wenn ich solche Filme schaue, werde ich davon inspiriert. I like the vibe of it.


Flusssaeure: Ihr habt in früheren Interviews of betont, daß ihr ausgebrannt ward nach „connected“!

Nick: Ja, wir haben einfach zuviel getourt.

Flusssaeure: Habt ihr Angst vor einem weiteren „burn-out“?

Nick: Nicht wirklich, denn jetzt können wir in einer anderen Weise damit umgehen. Ich glaube einfach, daß wir etwas fucked up sind mit dem Musik-Business und dem ständigen Touren. Lustigerweise zählst du im Musik-Business umso mehr, je mehr Platte du verkaufst. Größere Erwartungen, größere Einmischungen. Dies verdirbt dir die Lust (rob: yeah! Fuck this!). Wenn dir fast die Kontrolle entzogen wird, fühlt ich mich ziemlich unwohl.

Gap: Mögt ihr den Hiphop von heute?

Nick: Es gibt da den „Lowkey“ Hiphop wie von JURASSIC 5, westcoast stuff. Aber es gibt auch noch den kommerziellen Hiphop, und einiges davon ist zwar gut, aber viel auch shit. Ich sehe Musik immer in der gleichen Weise. Wenn ich ein Album mag, dann mag ich es. Hiphop ist so groß heute. PUFF DADDY zum Beispiel, mag ich nicht wirklich. Ich sehe seine Platten fast genauso wie eine Platte von KYLIE MINOGUE. Ich glaube auch nicht, daß ich allen Hiphop mögen muß. Es gibt gute Platten, und es gibt schlechte Platten. Das gleiche gilt für Hiphop und Rap music.

Gap: Glaubt ihr, daß Hiphop im Allgemeinen durch den kommerziellen Hiphop an credibility verloren hat?

Nick: Nicht wirklich. Hip hop gibt es nun schon so lange. Wenn Leute Hiphop heute noch als neue Sache nehmen, täuschen sie sich selber.
Es ist so, wie in jedem Genre, es gibt überall großartige Musik. Und es gibt immer noch inspirierten guten Hiphop. Ich mag auch NELLY, auch wenn er eher der kommerziellen Schiene zugeordnet wird. Oft wird es auch als Ausrede verwendet, daß man „real Hiphop“ macht, und in Wahrheit ziemlichen Dreck produziert. Es ist immer leicht eine Platte zu machen die niemand kaufen will, und auch wenn eine Platte gut verkauft wird, heißt es nicht automatisch, daß es eine schlechte Platte ist.


Flusssaeure: Glaubt ihr, daß es heute mehr Toleranz zwischen den einzelnen Genres gibt? Ihr hattet ja die Tour mit LIVING COLOUR vor 10 Jahren, wo ihr ziemlich Probleme mit dem Rock-Publikum hattet!?

Nick: Wir sind zum Ausgangspunkt zurückgekehrt. Heute haben wir aber fast mehr Probleme mit dem Dance-Publikum. Da dieses Publikum immer auf harten schnellen Bumm-Bumm Sound aus sind, und wenn du mit deinem Sound langsamer und grooviger bist, und nicht 130 ppm hast, kommst du nicht so an. Irgendwie ist es heute umgekehrt für uns. Es ist fast schwieriger von dem Dance-Publikum akzeptiert zu werden, als vom Rock-Publikum. Vor allem da die Dance-Szene auch immer mehr Mainstream und langweiliger wird.

Gap: Glaubt ihr, daß Live Perfomances für elektronische Acts wichtig sind?

Nick: Ja ist es, wie man von Acts wie THE PRODIGY und ORBITAL gesehen hat. Es gibt das Bedürfnis vom Publikum mehr von elektronischen Acts zu sehne, als bloß einen DJ der seine Platten spielt.

Flusssaeure: Wann gibt es das nächste STEREO MC’S Album?

Nick: Hoffentlich zu Beginn des nächsten Jahres.

Flusssaeure: Wie wird es klingen?

Nick: Keine Ahnung.

Gap: Konzentriert ihr euch beim Produzieren mehr auf den Pop oder auf den guten Groove?

Nick: Wir konzentrieren und nicht auf den Pop. Es hängt davon ab, wie man das Songschreiben betrachtet. Manchmal fangen wir einfach mit einem guten Groove an ohne daran zu denken wie es ist dazu zu tanzen. Wenn wir zum Beispiel wie FATBOY SLIM klingen wollten, nur weil die Leute darauf stehen, dann könnten wir nicht mehr die Art von Musik machen, die wir machen wollen. Wenn wir einen Song produzieren, ist uns nicht der Song oder Track das wichtige, sondern das Gesamtalbum. Es gibt so ein großes Spektrum, was Song heißt. Vergleich zum Beispiel einen Song von KRAFTWERK und von BOB DYLAN, sie klingen beide alt, aber in ganz verschiedener Art und Weise.

Gap: Habt ihr Songstrukturen?

Nick: Tja, sogar APHEX TWIN hat sowas wie eine Songstruktur, oder ein hookline. Wir machen das, was wir machen wollen, und was wir wollen ist STEREO MC’S. Wir schreiben immer neue Songs, und es gibt immer wo etwas neues für uns.



www.stereomcs.com

Autor: Flusssaeure

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Beitrag vom 19.07.2002
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