Interview mit SICK OF IT ALL - Gitarren sind nicht gratis


Christina: In letzter Zeit hat es viele Diskussionen rund um Napster und MP3´s gegeben. Siehst du in diesen Dingen eine Gefahr für eure Musik?

Lou Koller: Eigentlich finde ich es ganz gut, dass so viel Verschiedenes herumgeht, aber am Anfang war es ziemlich hart für uns, als unser Album, lange bevor es veröffentlicht wurde, schon von Napster herunterzuladen war. Wir waren ziemlich deprimiert und dachten, dass uns das ziemlich schaden werde. Aber jetzt denken wir, okay, unsere Fans respektieren uns hoffentlich genug, dass sie, wenn sie unsere Musik im Napster hören, erst recht die CD kaufen. Ich denke, dass jede Band, die eine eigene Website hat, ein oder zwei Tracks über MP3 runter laden lassen sollte und Napster sollte sowas wie Steuern den Bands zahlen. Jeder sagt: "Musik ist Kunst und Kunst sollte gratis sein", ABER Gitarren sind nicht gratis, die Elektrizität ist nicht gratis und, wenn du ein Maler bist, ist auch die Malerei nicht gratis. Jeder muss für irgendetwas zahlen. Und wenn Napster verurteilt wird, dann sollen die zahlen, und nicht die Jugendlichen, die die Musik runterladen.


Q: Aber woher soll der Napster-Typ das Geld nehmen?

Lou: Der hat schon genug Kohle [lacht]. Jeder redet über Metallica und deren Zorn gegenüber Napster, obwohl sie eh schon Millionäre sind, aber dann, bitte, sag dem Napster-Typ der eh schon Multi-Millionär ist, dass er Bands wie Sick Of It All oder die Dropkick Murphies, deren Album zwei Monate vor der Veröffentlichung vom Napster runterzuladen war, bezahlen soll.


Q: Okay, jetzt die Standard- Frage: Ihr habt zu Fat Wreck gewechselt - seid ihr zufrieden mit dieser Wahl?

Lou: Ja, es ist wirklich angenehm, wenn deine Freunde im Label sind. Als wir bei großen Labels waren, mussten wir zuerst immer mit irgendeinem Assistenten oder so reden,. Jetzt bei Fat Wreck rufen wir einfach Mike von NOFX an und sagen, dass wir dieses und jenes machen wollen...obwohl. Mike hasst das Layout vom neuen Album, er sagt immer, es schaut wie eine Techno-Platte aus..[lacht].


Q: Was hältst du von Hardcore in Österreich und überhaupt in Europa bezüglich der wachsenden Aggressivität? Glaubst du, dass dieses Phänomen mit dem Metalstyle eher zusammenhängt, als mit dem Original- Hardcore?

Lou: Ich glaube, dass das einfach ein neues Kapitel in der Hardcore-Szene ist. Die ganze Steetpunk-Bewegung wird einfach größer und größer.


Q: Bist du noch immer straight- edge drauf

Lou: ich war eigentlich immer straight- edge...getrunken habe ich nur von 14 bis 20... getrunken, Drogen genommen und den ganzen S...ss. Es war nicht die Überzeugung von wegen straight- edge oder so, aber ich habe mir irgendwann gedacht " Wow, es geht nicht mehr weiter so". Und das wars dann auch schon. Wenn ich jetzt fortgehe, dann drinke ich eine Cola.


Q: Erzähl uns was über eure musikalischen Einflüsse in der Vergangenheit...?

Lou: In der Vergangenheit? Da war so viel S...ss. Als wir angefangen haben, haben uns lustigerweise viele Leute gesagt, dass wir ziemlich metal- mäßig drauf sind, weil wir im Vergleich zu anderen Hardcore-Bands ziemlich viel Metal gespielt haben. Jetzt haben wir noch immer den gleichen Stil und die Leute sagen, wir wären doch ziemlich "punkig". Wir klingen nicht wie Pantera- deswegen denken sie wir machen Punk. Heutzutage ist es einfach alles- von Motörhead, Discharge, die New Yorker Szene mit Agnostic Front über Murphy´s Law , Bad Brains, Negative Approach....Wir versuchen das alles zu mischen und passen einfach auf, was sich so tut - speziell bei den neueren Bands.


Q: Diese Frage, weil sich viele Oi- Bands- wie Last Ressort - auf Bücher beziehen wie Clockwork Orange. Beeinflussen euch solche Sachen?

Lou: Ich liebe Clockwork Orange. Musikalisch und lyricmäßig waren es aber immer die Bands, die um uns herum waren. Ich habe zwar nie daran gedacht einen Song über einen Film zu machen, aber wenn ich jetzt so was machen würde, würde ich einen Song über Gladiator schreiben...[lacht] ein fucking great movie. Irgendwer hat unser neues Album das "musikalische Zubehör" von Fight Club genannt. Da war ich wirklich stolz drauf!


Q: Was denkst du über dieses "unity thing", das gerade in der Szene, hauptsächlich in Europa, umhergeht? Glaubst du das unity überleben kann, trotz der verschiedenen Einstellungen der Leute? - zum Beispiel der immer betrunkenen Skinheads, der Straight-Edgeler, der Veganer. Kann diese Szene zusammenhalten?

Lou: Wenn die Leute scherzen und über sich lachen können, dann kann jede Szene zusammenhalten. Ich glaube, wir beweisen das, wenn wir auf Tour sind, weil ich, zum Beispiel, esse Fleisch, der Bassist auch, Pete manchmal, und Armand, der Drummer und der T-Shirt Typ sind Veganer, während der Tour-Roady Vegetarier ist. Wenn wir essen gehen, verarschen, pardon, veräppeln wir uns gegenseitig. Wenn der Kellner kommt und fragt, was wir wollen, fragt Pete sofort: Ist da Fleisch dabei? Und wir alle: Sei einfach ruhig! Craig kifft jeden Abend bis zum Abwinken, ich rauch nichts...und wir machen uns einfach spasshalber fertig. Das ist was die Szene braucht, man muss einfach fähig sein einen Scherz zu vertragen. Wenn die besoffenen Skins über die Straight- Edge- Leute lachen können und umgekehrt, dann passt einfach alles und jedem geht's gut.


Q: Was denkst du über die sogenannten "Poser- Kids", die 14-jährigen mit den NOFX- Shirts, die überall herumhängen?

Lou: HAHA, t´schuldige Mike, aber das stimmt. Für ihn ist das ok, weil er daran verdient, aber es ist auch ganz ok, weil sie so einfach anfangen. Als ich in die Szene gekommen bin, hatte ich lange Haare und ein Motörhead- Shirt. Nach meinem ersten Konzert- Agnostic Front- dachte ich, dass das das beste war, was ich je gesehen hatte. Mir ist es egal, dass vielleicht Leute dachten, das ich ein Angeber, Poser, war. So bin ich einfach da reingekommen. Hoffentlich sehen diese Typen bald um was es wirklich geht und wachsen nach und nach in die Szene rein. Leider habe ich viele gesehen, die mit 14, 15 dabei waren und dann mit 16 oder 17 denken sie dann " Oh, jetzt wird´s Zeit- ich werde mich jetzt mal in die Techno-Szene reinhaun und nimm ein paar Drogen, weil es dann leichter ist zum ersten Sex zu kommen.


Q: Ich mag das eigentlich nicht, möchte aber trotzdem über das "Sell-Out-Syndrom" reden; die Skater-Szene und Papa Roach, zum Beispiel...

Lou: Ha, darüber möchte ich reden. In America machen sie das gleiche. Die haben sich einfach das Skaten geschnappt. Ich war selber Skater, zwar kein guter, oh Gott, ich hab mir den Hintern aufgerissen, seitdem ich Teenager war. Die Musik war immer Cutting- Edge, Punk , sogar als sie Hip Hop reingebracht haben. Es war einfach immer Underground-Music. Jetzt veranstalten die grossen TV- Kanäle in America Skate-Shows und holen sich Rick Thorn, ein BMX- Fahrer und guter Freund von mir, der auf Musik, wie Johnny Cash, Oi und Punk steht. Weißt du was die bei der Show spielen? Grosse Rede: " balalala yeah, Cutting-Edge- Musik, Cutting-Edge- Sport, es ist extrem, yeah, hier ist das neue Lenny Kravitz Video!!!" [lautes Lachen]. Fuck you, fuck Lenny Kravitz, it´s bullshit! Das hat nichts mit dem skaten zu tun. Ich habe das Papa Roach Album 1994 geschrieben, es heißt Scratch The Surface! Das war nicht so aufgewassert, das war wirklich Musik. Ich habe nichts gegen die Skater, speziell die Jungen können nichts dafür, die werden von dem beeinflusst, was sie im Fernsehen sehen. Es ist wirklich schade, die haben die ganze Skate- Musik ruiniert. Ich bin wirklich sauer auf Tony Hawk, für sein zweites Spiel, ein tolles Spiel, hat er nur schlechte Bands engagiert. Für das erste hatte er die Dead Kennedys, Vandals und so. Für das zweite holte er sich [flüstert mit abwertenden Tonfall] Papa Roach...!!! Ich hasse es die auszurichten, weil die immer so nette Sachen über uns sagen, aber T´schuldigung, es ist wahr, ich habe, nein, wir haben dieses Album vor sechs Jahren geschrieben.


Q: Ist mit Blink 182, das gleiche passiert?

Lou: Die haben das Gleiche mit NOFX getan, die sollten NOFX dafür zahlen, dass sie ihnen ihre Show und die Ideen gestohlen haben. Wenn du richtigen Punk hören willst, solltest du Murphy´s Law aus New York sehen. Die wollen einfach nur Spaß haben, und trinken wie verrückt auf der Bühne- die sind wirklich gefährlich. Die sind nicht wie die anderen Bands mit denen wir auf Tour gehen, nein, die kiffen und saufen auf der Bühne. Wir machen Shows mit ihnen und es wird ihnen gesagt, keinen Alk mit raus zu nehmen und die sagen "ok", schleppen ihre Dosen mit und sprühen das Publikum an. Die rauchen ihre Bongs und machen den härtesten, aggressivsten Punk. Es ist herrlich. Der Sänger ist einer der lustigsten Typen, die ich je getroffen habe.


Q: Wie geht ihr an einen neuen Song ran? Kommt einer mit einem neuen Riff oder Lyrics?

Lou: Für gewöhnlich schreiben wir nicht erst die Musik und kommen dann mit den Lyrics. Eher ist es so, dass ich irgendwelche Gefühle habe, die ich verarbeiten möchte und dann muss einfach die Musik dazu passen.


Q: Wie kommt ihr auf neue Riffs oder Melodien? Kommen die Ideen vom jammern, oder sagt irgendwer: " Schau, hier, ein neuer Lick!"?

Lou: Manchmal kommen Armand mit einem ganzen Song oder einer Melodie, Pete mit einem neuen Rhythmus oder auch Craig mit was auch immer, an und dann sehen wir, was sich draus machen lässt. Oder ich hab ein neues Riff und mache dazu Dadadadada oder sonstige Geräusche...


Q: Klingt nach Spaß....

Lou: YEAH.


Q: Hast du irgendwelche Lieblingsbands?...

Lou: Hauptsächlich höre ich Punk und Hardcore in meiner Freizeit. Zum Beispiel, das neue Napalm Album, das wirklich gut ist...oder Face To Face, die machen echt die beste Musik.


Q: Was ist das eigentlich für ein Gefühl seine eigenen Platten zu hören?

Lou: Mmmh...eigentlich hab ich eine von uns aufgelegt, weil alle gesagt haben, ich solle es tun. Und dann hab ich ein paar Songs richtig gut gefunden, aber Armand und Craig haben an ihren Einsätzen und so rumgenörgelt und ich hab mich nur gefragt wie man so Musik genießen kann.


Q: Ihr seid rund um die Welt getourt- habt ihr jemals daran gedacht in einer anderen Sprache zu singen?.

Lou: Ja, wir reden immer davon, aber in Wirklichkeit sind wir zu faul dafür. Wir wollten zumindest "danke" in jeder Sprache sagen können...aber auf Call To Arms gibt's einen versteckten Track, den wir zur Hälfte auf Spanisch singen.


Q: Könnt ihr irgendwelche anderen Sprachen? Französisch, oder so?

Lou: Ich kann "hallo und "tschüß" auf vielen Sprachen sagen, aber wir sind jeden Tag in einem anderen Land und da ist es wirklich ziemlich schwierig sich die Sachen zu merken.


Q: Habt ihr schon was von Wien gesehen?

Lou: Dieses Mal nicht, aber das letzte Mal haben wir die ganzen Sehenswürdigkeiten gesehen. Wir haben auch das Homevideo gemacht, das bald rauskommen wird. Außerdem waren wir auf einem Skiberg, hier in Wien...


Q: Wie ist das mit der Reaktion eures Publikums in den verschiedenen Ländern? Bemerkt ihr da Unterschiede?

Lou: Ich finde, dass die Reaktionen ziemlich gleich sind. Naja, vielleicht sind die Leute außerhalb der Staaten ein bisschen enthusiastischer. Dort sind sie reservierter- vor allem in den größeren Städten sind sie ziemlich cool. Manchmal fangen ein paar zum schreien an, aber die meisten Kids, wollen einfach nur, dass wir spielen. In manchen Regionen wird ein bisschen aggressiver getanzt, aber grundsätzlich gibt es keine grundlegenden Unterschiede.


Q: Ist der direkte Kontakt zu den Fans wichtig für euch, wenn ihr ein Konzert gebt? - mögt ihr eher große Festivals, oder spielt ihr lieber im kleineren Rahmen?

Lou: Ich mag die größeren Festivals, weil wir hier die Chance haben vor Leuten zu spielen, die uns nicht kennen, uns dann vielleicht gut finden und Cd´s kaufen. Grundsätzlich, aber mag die ganze Band es lieber, wenn das Publikum näher ist. Bis jetzt mussten wir jeden Abend auf dieser Tour uns dagegen wehren, dass die Clubs Barrikaden aufstellen, weil die Kids ausflippen. Aber das ist genau das, was wir wollen! Wir wollen, dass die Leute Spaß haben!


Q: Gefällt es Euch, Videoclips zu drehen?

Lou: Überhaupt nicht! Wenn man zehn Stunden immer das gleiche macht, wird das so fad. Bei dem neuen Video - District - war das besser. Wir hatten nichts damit zu tun weil es animiert war! Der Typ, der es gemacht hat, ist ein Freund von uns, und wir mussten nichts weiter tun, als ihm Fotos von der Seite und von vorne zu schicken. So hat er dann unsere Gesichter gemalt.


Q: Könntest du dir ein Leben ohne Sick Of It All vorstellen?

Lou: Deprimier mich nicht! Wenn es mit Sick Of It All irgendwann einmal aus ist, möchte ich trotzdem weiterhin Musik machen. Ich weiß zwar nicht, ob ich das könnte ohne diese Idioten. So sehr ich sie auch hasse, wir sind alle ein Teil voneinander. [Anm. d. Red.: Verschwörerisches Grinsen: Sie haben sich eh ganz lieb!]


Q: Wie lange spielt ihr jetzt schon miteinander? 15 Jahre?

Lou: Ja, mit Craig sind es jetzt 12 Jahre..


Q: Also seid ihr sehr gute Freunde, nehme ich an?

Lou: So gute Freunde, dass wir uns wirklich verabscheuen [lacht]!


Q: Verbringt ihr eure Freizeit auch miteinander?

Lou: Hin und wieder schon, aber ehrlich gesagt gehen wir, wenn wir von einer Tour heimkommen, mindestens drei Wochen getrennte Wege. Wir telefonieren zwar, weil wir uns ja auch um das Wohlergehen von Sick Of It All kümmern müssen, aber die meiste Zeit verbringen wir mit unseren Familien, unseren Frauen, unseren Freundinnen... was auch immer. Es ist so schwierig, alle wieder zum üben zusammenzubringen nach so einer Zeit. Ich muss dann alle wieder dazu treten.


Q: Habt ihr schon Pläne für die Zukunft? Gibt es ein neues Album oder eine Tour?

Lou: Es ist noch nichts fix, aber wir wollen an unserem nächsten Album arbeiten, und im Frühling kommt hoffentlich dann das Homevideo heraus. Es zeigt, wie wir dieses Album machen, aufnehmen und die Geschichte der Band. Man sieht, wie wir in kleinsten Lokalen und größten Festivals spielen. Und das beste ist, dass wir ihr meinen Hund im Video sehen könnt! [lacht]


Q: Danke, das war alles!

Lou: Danke an EUCH!

www.sickofitall.com

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Beitrag vom 11.03.2001
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