Interview mit REBAELLIUN


Brasilien hat sich in den letzten Jahren zur Hochburg des technischen Death Metal herauskristallisiert, hat meiner Meinung nach die amerikanische Szene bereits eingeholt. Als Mitbegründer und momentaner Spitzenreiter gelten - neben KRISIUN - REBAELLIUN. Drei hervorragende Alben und eine Mini haben die Brasilianer bereits auf den Markt geworfen, was für mich Grund genug war, Gitarristen Fabiano etwas auf den Zahn zu fühlen.

Stefan: In Interviews anlässlich "Burn the promised land" ließt du verlauten, dass ihr nicht nur eine Band seit, sondern vielmehr eine Familie. Dennoch verließ euch Gitarrist Ronaldo vor der Veröffentlichung von eurer MCD "Bringer of war" die Band. Was war los?


Fabiano: Wir waren Anfang 2000 in Europa auf Tour um "Burn the promised land" zu promoten, einige Shows im Ostblock wurden aber gecancelled und wir versuchten, Ersatzgigs zu spielen. Das Geld wurde mit der Zeit ziemlich knapp und somit war die ganze Situation nicht besonders rosig für uns... Dazu kam, dass zum selben Zeitpunkt Ronaldos Mutter krank wurde und er nicht zu ihr fliegen konnte, weil wir noch ein paar Gigs zu absolvieren hatten. Das war ein großer Druck für uns alle, besonders aber für ihn. Bevor wir nach Brasilien zurückkehrten, wollten wir noch die MCD "Bringer of war" aufnehmen und eine Tour mit VADER wurde für Juni / Juli 2000 fixiert. Wir mussten alle einige Kompromisse eingehen und Abstriche machen, und Ronaldo konnte einfach nicht mehr. Er wollte nach Hause, also beschloss er, REBAELLIUN zu verlassen. Shit happens - auch bei uns.


Stefan: Euer Bassist / Vokalist Marcello verließ dann nach "Bringer of war" ebenfalls die Band und stieß zu ABHORRENCE dazu. Wie ist euer Kontakt zu ihm beziehungsweise zu ABHORRENCE?


Fabiano: Marcello spielt jetzt bei ABHORRENCE, das ist richtig - er hat jedoch nicht REBAELLIUN verlassen, um bei ihnen spielen zu können. Er verließ uns nach der Tour mit VADER weil er das Touren satt hatte und schnell Geld machen wollte - und neben REBAELLIUN ist kein Full-time-Job möglich. Er eröffnete ein Tattoostudio und macht gutes Geld - das ist
großartig, finde ich. Wir sind nach wie vor mit ihm befreundet, manchmal besucht er uns im Proberaum und wir alle wurden von ihm tätowiert.
Was ABHORRENCE betrifft - ich kenne sie seit 1999 und wir haben auch schon einmal zusammen gespielt. Sie sind nette Typen, großartige Musiker und ich wünsche ihnen auf jeden Fall alles Beste.



Stefan: Da Ronaldo wieder zur Band stieß, nachdem Marcello sie verlassen hatte, liegt die Vermutung nahe, dass auch persönliche Probleme zwischen den Beiden zumindest ein Grund für seinen Ausstieg waren...


Fabiano: Nein, das war nicht der Fall. Marcello hat uns direkt nach der Tour mit VADER verlassen und Sandro hat sofort begonnen, nach einem neuen Fronter zu suchen. Wir haben allerdings nicht mit den Rehearsals aufgehört und haben bereits begonnen, alleine Songs für "Annihilation" zu schreiben, ohne Bass und Vocals. Ronaldo kam dann eines Tages vorbei und machte uns klar, dass er wieder in die Band wolle. Wir waren - und sind noch immer - der Meinung, dass REBAELLIUN mit ihm einfach stärker sind, deswegen ist er
wieder mit von der Partie. Ich denke, wir haben das Richtige getan.



Stefan: Deiner Meinung nach ist euer neuer Fronter begabter als Marcello, besonders was die Vocals betrifft...


Fabiano: Wir spielten mit Lohy schon vor REBAELLIUN zusammen in einer Band, daher kannten wir ihn und seine Spielweise schon sehr gut. Er war also ein logischer Ansprechpartner was das betrifft... Bei den Proben ist der Unterschied nicht so stark herausgekommen, aber als wir die
Aufnahmen im Studio hörten waren wir alle sehr beeindruckt. Er hat einen eigenen Stil, einen anderen als Marcello - er singt tiefer und druckvoller, aber auch klarer. Er ist - wie Marcello auch - ein guter Musiker und hat viel zu den neuen Songs beigetragen. Wir sind alle sehr glücklich darüber, dass er wieder mit uns spielt.



Stefan: Jede brasilianische Band wird mit KRISIUN verglichen, nervt das? Wie stehst du persönlich zu ihnen?


Fabiano: Ich finde sie großartig, besonders "Black force domain" und "Conquerors of armageddon" sind hervorragende Alben. Meiner Ansicht nach ist es ganz natürlich, dass alle mit ihnen verglichen werden - sie sind die größte Band in Süd Amerika und eine Art "Bezugsperson".
Allerdings gibt es auch eine Menge Bands, die KRISIUN einfach nur kopieren, das ist schade...



Stefan: Was ihr aber nicht tut... Welche Bands neben KRISIUN sind für dich Bands, die Hervorragendes geleistet haben? Und, hörst du dir eigentlich gerne Bands an, die euch ähnlich klingen oder ziehst du amerikanischen / europäischen Death Metal dem brasilianischen vor? Woher bekommt ihr eure Inspirationen?


Fabiano: Wir hören uns jede Band an, die gut ist - ein paar davon wären MORBID ANGEL, DEICIDE, ANGEL CORPSE, NILE, BEHEMOT und auch CENTURIAN - MORBID ANGEL ist unserer Ansicht nach die größte und beste Band aus diesem Genre. Von unseren Anfängen an waren wir vom amerikanischen Sound - und vor allem von MORBID ANGEL - am Stärksten beeinflusst, wobei es aber auch in anderen Ländern sehr gute Bands gibt. Außerdem hören wir ja nicht nur Death Metal, sondern auch IRON MAIDEN, MANOWAR, JUDAS PRIEST, VAN HALEN, klassische Musik, Fusion, Jazz und noch manch anderes.


Stefan: Könntest du mir vielleicht einmal den Grund dafür nennen, dass genau jetzt so viele brasilianische Bands aus dem Boden schießen, beziehungsweise auch in Europa bekannt sind? Ich weiß, die schlechte finanzielle Situation war früher der Grund dafür, dass es sich auch gute Bands kaum leisten konnten, Alben aufzunehmen - zumindest nicht
mit dem Sound, der Standard war. Was hat sich diesbezüglich in Brasilien in den letzten Jahren verändert?



Fabiano: Die Frage kann ich dir nicht wirklich beantworten. KRISIUN haben die "New Wave of Brasilian Death Metal" - wie es oft genannt wird - gestartet und immer mehr Labels interessierten sich für Bands aus meinem Heimatland. Nach KRISIUN kamen wir und immer mehr Bands folgen uns nach. Wie auch immer, ein gutes Album aufzunehmen ist eins der wichtigsten Dinge, ein fester Platz in der Szene ist allerdings
nicht innerhalb von wenigen Jahren erreichbar. Es braucht Zeit und viel Anstrengung - daher denke ich, es ist zu früh, zu behaupten, Brasilien wäre die neue Hochburg des Death Metals - zumindest nicht in dem Ausmaß, wie viele Leute in Europa es annehmen. Ich will jetzt unsere Szene nicht heruntermachen, es gibt sehr viele gute Bands, aber erst die Zeit wird zeigen, wer davon überlebt...



Stefan: Zwei typische Merkmale für eine "typische" brasilianische Band sind (1) dass die Musiker ihre Instrumente meist in Lichtgeschwindigkeit bearbeiten und (2) dass sie eine antichristliche Einstellung haben. Worin siehst du beide Punkte begründet? Einige Bands aus Brasilien nennen für (1) das Klima und die Mentalität, für (2) den hohen Anteil von Kirchen in eurem Land...


Fabiano: Was deinen Punkt (1) betrifft - seit den 80ern spielen
brasilianische Bands schnell, weil das Leben in Brasilien sehr
gewalttätig ist und wir es hier sehr schwer haben, über die Runden zu kommen - lebend. In der Musik drückt sich der Hass gegen das System aus, gegen unsere Regierung, gegen die, die dich unterdrücken. Das Leben ist aggressiv und brutal, und so auch die Musik. Es würde für mich keinen Sinn machen, wie MY DYING BRIDE zu spielen, wenn du aus
Brasilien kommst.
Was Punkt (2) betrifft, auch das ist in den 80ern verwurzelt. Die Christen kolonialisierten Brasilien vor ein paar Jahrhunderten und versklavten und töteten eine Menge gebürtige brasilianischer Indianer - und das ist nur eines ihrer Verbrechen.



Stefan: Worin liegen für dich die Hauptunterschiede zwischen "Burn the promised land" und "Annihilation"?


Fabiano: "Annihilation" ist in jeder Hinsicht reifer. Der Aufbau der Songs hat sich sehr verändert, wenn du die neuen Songs mit den alten vergleichst. Auf "Burn the promised land" hatten wir zwar einige gute Ideen, aber sie kamen oft nicht so gut rüber, wie sie hätten können. Beim Schreiben der Songs, die nun auf "Annihilation" zu finden sind, haben wir ein besonderes Augenmerk auf den Songaufbau gelegt, auf
einen guten Refrain, dass die Leads genau im richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden und dass die Lyrics besser zur Musik passen. Außerdem spielen wir heute besser als damals, die Produktion ist klarer und druckvoller, was unser Hauptziel war. Beide Alben sind REBAELLIUN, aber doch nicht wirklich vergleichbar. "Annihilation" ist aber auf jeden Fall um Längen besser als alles, was wir vorher geschaffen haben.



Stefan: Bedeutet der Albumtitel "Annihilation" für euch die totale Zerstörung eures Umfeldes? Es ist vielleicht etwas dumm ausgedrückt, aber wenn man euch so zuhört glaubt man, das Ende ist nahe...


Fabiano: Ich denke, der Titel repräsentiert unsere Musik sehr gut, ja. Außerdem ist er die Zusammenfassung unseres Albums, da es sich auf "Annihilation" um das Ende der menschlichen Rasse als auch dieses Planeten dreht.


Stefan: Wenn du an die Aufnahmen von "Annihilation" zurückdenkst, war Andy Classen der richtige Mann für euch oder hättest du einige Dinge anders - besser - gemacht?


Fabiano: Mit Andy aufzunehmen war die beste Entscheidung, die wir diesbezüglich treffen hätten können, wir sind alle sehr zufrieden mit dem Killersound, den er hinbekommen hat. Natürlich wollen wir, dass das nächste Album noch besser klingt, es wird auf jeden Fall schneller. Wir haben unseren Stil ein klein wenig geändert, wir klingen nun etwas härter, würde ich sagen...


Stefan: Noch schneller? Das ist ja verrückt... Auf "Bringer of war" hattet ihr von MORBID ANGEL "Day of suffering" gecovert. Wieso habt ihr genau den Song ausgewählt?


Fabiano: "Day of suffering" ist ein fixer Bestandteil unseres Sets seit den Anfängen, MORBID ANGEL ist unsere Lieblingsband!!! Ich weiß um ehrlich zu sein nicht, warum wir ausgerechnet den Song ausgewählt haben, aber er passt einfach hervorragend zu uns. Als wir am Anfang noch nicht genug Songs für ein ganzes Set hatten, spielten wir außerdem noch SLAYER's "Black magic", aber wir haben den Song schon so lang nicht mehr gespielt, dass wir beschlossen haben, den MORBID ANGEL Song auf "Bringer of war" zu packen.


Stefan: Du hast einmal gesagt, dass du den Sound von "Bringer of war" nicht besonders magst - welches Problem hast du mit damit? Ich finde, der Sound ist verdammt gut...


Fabiano: Die Gitarren klingen scheiße. Wir haben im Studio verschiedene Verstärker ausprobiert, aber alle waren nicht besonders gut, daher haben wir direkt über die Konsole aufgenommen und haben nur ein Pedal für die Verzerrung benutzt. Im Studio hat es auch ganz gut geklungen, aber nach dem Mastering konnte man deutlich hören, dass das ein großer Fehler war. Auf "Annihilation" haben wir den Fehler nicht gemacht, die Gitarren klingen verdammt gut, heavy, scharf und klar.


Stefan: Wie zufrieden seid ihr mit Hammerheart Records? Welche andern Label waren noch daran interessiert, euch unter Vertrag zu nehmen - und warum wurde es dann ausgerechnet Hammerheart?


Fabiano: 1999 haben wir in Europa einige Gigs gespielt um unser "Promo Tape 1998" zu promoten und haben ein paar Angebote von europäischen Labels bekommen, aber Hammerheart boten uns einfach den besten Deal und vor allem die Möglichkeit, auch in Europa zu touren, daher haben sie den Zuschlag bekommen. Wir sind auch nach wie vor
sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit, sie promoten uns sehr gut und das weltweit. Es ist aber auch logisch, dass mit dem Wachsen der Band auch der Anspruch steigt - es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir noch mehr Unterstützung bekommen, aber ich denke, Hammerheart sind die Richtigen.



Stefan: Was denkst du über Europa? So weit ich weiß nennt ihr alle Europa als eure zweite Heimat... Denkt ihr vielleicht auch darüber nach, nach Europa zu ziehen, wäre auch um einiges leichter für die Band?


Fabiano: Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber zwischen 1998 und 1999 waren wir drei Monate in Europa. Wir kamen ohne Geld nach Belgien, nur mit den Ambitionen, ein Label zu finden. Nach diesen drei Monaten haben wir 19 Konzerte gespielt und wurden von Hammerheart unter Vertrag genommen, also ganz gut für eine junge Band, würde ich sagen... Aber das Leben in Brasilien ist besser - aus verschiedenen Gründen. Das wichtigste in unserem Leben ist jedoch REBAELLIUN, und was für die Band das beste ist, das werden wir auch tun. Wenn es notwendig ist, nach Europa zu ziehen - sag mir, wann der Flieger geht und ich bin da!


Stefan: Vor REBAELLIUN hattet ihr eine Band namens BLESSED. Warum habt ihr BLESSED aufgelöst und REBAELLIUN gegründet? Worin liegen die Unterschiede zwischen beiden Bands?


Fabiano: Wir haben BLESSED 1996 aufgelöst weil wir einfach nicht mehr konnten - wir hatten ein paar Demos draußen, aber keine Zukunftsaussichten. Wir alle brauchten Geld, also ließen wir die Band sterben und suchten uns Jobs um zu überleben. Nach zwei Jahren Pause hatten wir einfach
genug vom "normalen" Leben, wir brauchten wieder die Musik - und das war die Geburtsstunde von REBAELLIUN, mit einem Ziel: REBAELLIUN an die Spitze des Death Metals zu bringen.
Was die Unterschiede angeht, REBAELLIUN sind extremer als BLESSED - ganz einfach darum, weil wir damals noch nicht so geübt auf unseren Instrumenten waren.
Allerdings gibt es REBAELLIUN nur, weil es einmal BLESSED gegeben hat, daher sind beide Bands irgendwie miteinander verbunden...



Stefan: Hast du vielleicht ein paar Anekdoten aus der Zeit in Belgien, ganz zu euren Anfängen?


Fabiano: Hm, auf jeden Fall waren die zwei Gigs als Opener für DEICIDE ein wichtiger Baustein für unseren wachsenden Bekanntheitsgrad... Auf unserer ersten Europatour - mit LIMBONIC ART - konnten wir ein paar Shows im Osten nicht spielen, weil wir keine Einreisegenehmigung hatten, das war scheiße... Und was lustig war, eine Menge Leute dachten, wir kommen aus Belgien, hahaha!


Stefan: Wie wichtig ist euch Onlinepräsenz?


Fabiano: Das Internet ist eine großartige Möglichkeit, mit der ganzen Welt in Kontakt zu treten - und daher ein wichtiger Bestandteil der Promotion. Wenn du nicht online bist, kannst du dich gleich eingraben lassen...


Stefan: Was steht für euch in naher Zukunft an?


Fabiano: Von Oktober bis Dezember werden wir einige Shows in Brasilien spielen, für brasilianische Verhältnisse sogar erstaunlich gut organisierte! Für Anfang 2002 steht eine Tour durch Europa an, wir versuchen gerade, die Details zu fixieren. Schlussendlich planen wir auch, Amerika nächstes Jahr zu überrollen. Außerdem schreiben wir bereits fleißig an neuen Songs, damit wir das Album Ende nächsten Jahres aufnehmen können, nach den Touren.


Stefan: Auch dir will ich die Möglichkeit geben, deine obligatorischen "letzen Worte" los zu werden...


Fabiano: Danke für deine Unterstützung - es ist das erste Interview, dass ich für ein österreichisches Zine gebe, obwohl wir bereits drei Mal bei euch gespielt haben!! Bei euch gibt es einige Die-Hard-Metaller, u rule! Schaut auf www.rebaelliun.com und besucht unsere Shows, bald kommen wir zu euch!





www.rebaelliun.com

Autor: Macabre

Weitere Beiträge von Macabre


Zurück

Beitrag vom 10.11.2001
War dieses Interview
interessant?

0 Stimmen
Diesen Beitrag bewerten:
  
Diesen Beitrag per E - Mail verschicken:
An:
Von:
Kommentar: