Interview mit MASTIC SCUM - Von Release zu Release weiterentwickelt


Ich hatte eigentlich geplant, MASTIC SCUM fürs Graveyard NetZine zu interviewen, da jedoch Polsi und ich anderer Aufassung sind, was das Niveau und den Stil seines Zines angeht, wurden die Salzburger kurzerhand fürs Earshot genauer unter die Lupe genommen - Gelegenheit dazu ergab sich vor ihrem Auftritt im Explosiv in Graz mit GROINCHURN, TOTAL FUCKING DESTRUCTION und SEEDS OF SORROW. Hauptsprachrohr der Band war Gitarrist Harry, aber auch Bassist Stefan und Drummer Manny gaben ab und zu ihren Senf dazu...

Stefan: Laut der Discographie auf eurer Homepage (www.masticscum.com) ist eure erste Veröffentlichung die EP "Ephemeral cerebal butchery" - oder gab es im Vorfeld noch andere Aufnahmen, wie Demos zum Beispiel?


Harry: Nein, das ist eigentlich die erste gewesen... Die "Ephemeral cerebal butchery" war das Erste was wir veröffentlicht haben - sie wurde im Sommer 93 aufgenommen und haben sie auf Rodel Records rausgebracht. Das war der erste offizielle Release und ein wirkliches Demo haben wir vorher eigentlich nicht gehabt.


Stefan: Das heißt, eure erste Veröffentlichung habt ihr gleich über ein Label rausbringen können?


Harry: Ja genau. Und auf Rodel Records ist ja dann später auch die "Tilt" veröffentlicht worden...


Stefan: Bewundernswert und für heutige Verhältnisse eigentlich unvorstellbar gleich die erste Aufnahme über ein Label herausbringen zu können... Wie seid ihr zu dem Deal gekommen?


Harry: Das war so, dass ein Typ - ein Freund von dem von Rodel Records aus Berlin - uns bei einem Konzert live gesehen hat und eben dann Rodel Records einen Tipp gegeben hat... Wir haben uns dann mal getroffen, es hat eigentlich alles so gepasst und wir haben dann die Aufnahmen gemacht.


Stefan: Seit "Ephemeral Cerebal Butchery" hat sich euer Sound doch gewaltig verändert - von Death Metal der Marke UNLEASHED oder auch typischem Ami-Death in Richtung Hardcore mit Metal- und Grindcore Einflüssen...


Harry: Das passierte eigentlich durch den Sound, den wir hören... Aufgewachsen sind wir mit SLAYER und KREATOR, in den 90ern dann mit NAPALM DEATH und den diversen Grindcore-Partien. Naja, es hat sich halt dann einfach so entwickelt, dass wir dann vom Metal eher mehr in die Hardcore-Richtung abgedriftet sind. Wir haben uns halt MASTIC SCUM.


Stefan: Ist es somit für dich wichtig, dass sich eine Band weiterentwickelt?


Harry: Auf jeden Fall!


Stefan: Das heißt, wenn eine Band wie - sagen wir - DEICIDE nacheinander sehr ähnliche Alben aufnimmt, das ist dann eher nichts für dich?


Harry: Nein, nein - so ist das nicht! Für eine Weiterentwicklung muss Mut da sein und ich hab nichts gegen eine Veränderung. Eine Entwicklung passiert eben oder auch nicht, und wir haben uns eben verändert... Das heißt aber nicht, dass jede Band ihren Sound verändern muss!


Stefan: Auffallend ist auch, dass ihr sehr viele Splits veröffentlicht habt - mit Szenegrößen wie C.S.S.O., FLESHLESS, MALIGNANT TUMOUR und HAEMORRHAGE...


Harry: Genau. Uns war schon immer wichtig, dass unser Zeug auch auf Vinyl veröffentlicht wird, also regelmäßig Split-7-Inches - und es hat sich bisher immer die Gelegenheit dazu ergeben. Immer wenn sich etwas angeboten hat, haben wir also zugeschlagen...


Stefan: Allerdings ist es für euch ja auch ein Vorteil, gemeinsam mit bekannten Bands auf einer Pressung zu erscheinen - das steigert ja auch euren Bekanntheitsgrad... Oder macht ihr das wirklich nur zum Spaß und aus Überzeugung, quasi als Tribut an alte Zeiten?


Harry: Es war eigentlich immer auch der Gedanke vom Label da, eine Split zu machen, damit wir ein breiteres Publikum erreichen... Es ist aber so auch lässig, mit anderen Leuten zusammen zu arbeiten, Austauschgigs zu machen und so...


Stefan: Euer letztes Album "Zero" ist auf Noise Variations erschienen - werdet ihr in Zukunft auch mit diesem Label zusammenarbeiten?


Harry: Also die CD "Zero" ist ... glaube ich ... im Sommer 99 auf Noise Variations veröffentlicht worden, aber wir haben geschaut, dass sie auch woanders rausgebracht wird. Das passiert jetzt im Herbst über Demonware Records, mit ein paar Bonustracks, Video und so was halt... Bezüglich dem nächsten Release - Noise Variations hat zwar Interesse, aber wir checken noch die Möglichkeiten und wissen noch nicht, wo wir dann zuschlagen werden...es steht also noch alles offen.


Stefan: Auffallend - neben der Tatsache, dass die meisten eurer Veröffentlichungen Split-Releases sind - ist auch, dass ihr bis auf bei der "Ephemeral cerebal butchery" eure Releases immer nur mit einem Wort betitelt...


Harry: Das ist einfach nur ein Wortspiel, ein Gedankenspiel - weil es so interessanter ist... Es gibt ja auch einige alte Bands, die das vorher auch schon gemacht haben.


Stefan: Ein Wortspiel, dass sich von Album zu Album fortsetzt oder lose, unabhängig voneinander?


Harry: Unabhängig, ja...


Stefan: Ungewöhnlich für euch ist auch, dass ihr - wie für eine Band aus diesem Genre üblich - keine Splatter-, Gore- oder Horrortexte verwendet, sondern Themen aus dem alltäglichen Leben verarbeitet, wie auch schon TERRORIZER...


Harry: Ja das ist uns - besonders unserem Sänger - sehr wichtig, weil wir doch eine sehr realitätsbewusste Band sind. Splatter- und Gore-Sachen interessieren uns da weniger ... finde ich zwar ganz cool, aber nicht für uns. Daher sind auch unsere Cover keine typischen Zeichnungen sondern solche Collagen, zu denen man sich mit dem vierbuchstabigen Wort einen Reim machen soll ... ein Denkanstoß oder so, vielleicht.


Stefan: Also stehen eure Texte und die Cover in einem direkten Zusammenhang?


Harry: Ja, wenn es geht schon. Wir schauen schon, dass Texte und Artwork zusammen passen - bei einer Live-Cd zum Beispiel verwenden wir eine Collage aus Livebildern, oder beim letzten Album "Zero" steht das Cover auch im Zusammenhang mit den Texten. Ich denke, das ist uns sehr gut gelungen.


Stefan: Wie entsteht nun ein MASTIC SCUM-Album? Es gibt ja bekanntlich unterschiedliche Herangehensweisen - bei der einen Band entstehen die Stücke zusammen im Proberaum, bei der anderen tüfteln die einzelnen kreativen Köpfe zuhause vor sich hin und im Proberaum werden die einzelnen Parts dann nur noch zusammengefügt... Wie haltet ihr das?


Harry: Wir machen uns im Vorfeld mal Gedanken darüber, wie das Schlussprodukt rüberkommen soll, also das Grundkonzept, wie das Cover ausschauen soll, wie die Songs von der Stimmung her sein sollen. Nach den Vorlagen entstehen dann die Songs ... es entstehen natürlich auch zufällig welche beim Jammen, und dann schauen wir, wie die Sachen zusammenpassen fürs Album.


Stefan: Das heißt, eure Stücke entstehen Großteils im Proberaum zusammen und nicht einzeln zuhause?


Harry: Doch schon, das auch! Es ist meist so, dass jeder für sich so Gedankengänge ausarbeitet und dann im Proberaum probiert... Die Songs werden also aus allen Richtungen irgendwie zusammen gebastelt.


Stefan: Aber gleiches Mitspracherecht hat jeder bei euch?


Harry: Sowieso!


Stefan: Manny, du bist ja neben MASTIC SCUM auch noch bei BELPHEGOR dabei - ist das für dich nicht ungeheuer stressig, nicht nur bei einer neuen, aufstrebenden Band dabei zu sein, sondern auch bei einer großen Band wie eben BELPHEGOR? Wie bringst du beides unter einen Hut?


Manny: Bis jetzt war das eigentlich kaum ein Problem, es war so, dass es mit den Konzerten und den Proben alles locker ausgegangen ist. MASTIC SCUM hat jedenfalls Priorität.


Stefan: Also stellst du dir persönlich nicht vor, fix bei BELPHEGOR einzusteigen?


Manny: Nein, seit ich dabei bin, bin ich Session-Drummer und das werde ich auch weiterhin bleiben...


Stefan: Sonst ist niemand in andere Projekte involviert?


Harry: Nein, eigentlich nicht.

Manny: Na...

Stefan: Nein.



Stefan: Anfang der Neunziger habt ihr beim Brainpain Festival in Gleisdorf gespielt. Das war ein Festival, bei dem vorwiegend Hardcore-Partien aufgetreten sind, und damals wart ihr eine lupenreine Death Metal-Partie. Spielt ihr auch heute noch gerne Konzerte oder Festivals, bei denen ihr als Band herausstecht, weil ihr nicht eine unter vielen anderen gleichen seit?


Harry: Auf jeden Fall! Sowieso! Es ist nun mal so, dass es Spaß macht, in etwas andere Szenen einzutauchen, sie kennen zu lernen und auch vor anderem Publikum zu spielen. Ich find es persönlich auch interessant, wenn ich auf ein Konzert geh und dort spielen Bands mit unterschiedlichen Sounds und Stilrichtungen. Darum sind wir eigentlich auch für alles offen...


Stefan: ...und so ein Konzert ist ja auch eine größere Herausforderung, als wenn man vor einem gleichgesinnten Publikum zieht, oder?


Harry: Na, eine Herausforderung ist es für uns immer (lacht)...


Stefan: Live seid ihr ja wahre Energiebündel, gebt wirklich 100%...


Harry: Ach so? (lacht)


Stefan: Was erwartet ihr nun vom Publikum?


Harry: Auch das gleiche... (lacht schon wieder)


Stefan: Bei Metalkonzerten begnügt sich der "typische" Fan mit Zusehen und Bangen, bei Hardcoregigs geht jedoch wirklich die Post ab, da wird gedivet, gemosht - einfach alles. Wollt ihr Leute auf der Bühne sehen?


Harry: Wir wollen sie vor der Bühne, auf der Bühne und hinter der Bühne!

Stefan & Manny: (lachen)



Stefan: Hinter der Bühne dann die weiblichen Fans oder wie?


Harry: (lacht) Es ist halt so, dass je nach Bands auch unterschiedliche Leute zu den Konzerten kommen... Wie du gesagt hast, bei Death Metal Partien wird gebangt, bei Hardcore Partien wird wirklich alles gegeben. Aber ich mag es einfach nicht, wenn wir spielen und die stehen nur da und schauen...


Stefan: Wie bereitet ihr euch auf ein Konzert vor? Stundenlanges Proben oder geht ihr ganz locker und gelassen and die Sache ran?


Harry: Wir meditieren...


Stefan: Drogenunterstütztes Meditieren?

Manny & Stefan: (lachen)

Harry: (lacht) Sowieso! Na... Wir proben ein bis zweimal die Woche, und wenn laufend Konzerte sind, dann ist es auch nicht notwendig oder möglich, sich speziell darauf vorzubereiten...



Stefan: Also geht ihr eher locker daran?


Harry: Ja - es ist so wie es ist...


Stefan: Was erwartest du dir für heute Abend?


Harry: Gar nichts. Ich erwarte mir nie irgendwas...


Stefan: Und was hältst du vom heutigen Billing?


Harry: Ich finde, es ist ein sehr interessantes Package, ja. Mit GROINCHURN, TOTAL FUCKING DESTRUCTION und SEEDS OF SORROW ... jede Band hat so ihren eigenen Stil, aber ist auf jeden Fall interessant, super! Besonders TOTAL FUCKING DESTRUCTION ist die super Chaosband (lacht).


Stefan: Was hältst du persönlich vom stark unterbewerteten österreichischen Underground?


Harry: Stimmt, er wird eigentlich immer unterbewertet aber er ist gar nicht so schlecht wie man glaubt und oft sagt... Es gibt eigentlich überall Auftrittsmöglichkeiten und eine ganz gute Szene.


Stefan: Welche Bands möchtest du da vielleicht speziell hervorheben?


Harry: Auf jeden Fall PUNGENT STENCH! Ich find es spitze, dass die sich reformiert haben... Ich bin schon gespannt, was da rauskommt!


Stefan: Naja, solang Martin seine HOLLENTHON-Musik von PUNGENT STENCH fern hält...


Harry, Stefan & Manny: (lachen)


Stefan: Eure Homepage ist ja auch ein kleines Kunstwerk, eine Spielerei... Für wie wichtig siehst du Onlinepräsenz für speziell eine Band aus dem Underground an?


Harry: Eigentlich nicht unbedingt soooo wichtig. Wichtig ist, dass du live spielst... Aber einfacher und praktischer ist es sicher, weil früher hast du Briefe ohne Ende geschrieben, heute hast dafür die Homepage und Mail... Für mich hat unsere Homepage sicher einen nicht zu geringen Stellenwert, aber es ist allemal wichtiger, wie die Band ist und wie viel sie live spielt.


Stefan: Du hast vorhin das Thema Vinyls angesprochen - euch ist es wichtig, dass ihr regelmäßig auch was auf Vinyl herausbringt. Seid ihr persönlich dann auch Vinylfanatiker? Habt ihr mehr Platten oder CDs zuhause herumstehen?


Harry: Mittlerweile sind es mehr CDs... Aber Vinyl ist schon irgendwie cool.


Stefan: Ist eigentlich auch irgendwie eine Sammlerleidenschaft...


Harry: Solche 7-Inches, das gehört einfach irgendwie dazu...

Stefan: Solche Veröffentlichungen, auf 7-Inches, das ist was - denke ich - was auch nie aussterben wird. Das hat es früher gegeben und gibt es heute auch noch...



Stefan: Aber Vinyl-Releases erschwert auch das Verschicken... und sind auch irgendwie unpraktisch.


Harry: Sicher ja, aber es ist der Sammlerwert, der da interessant ist...


Stefan: Seid ihr auch musikalisch old-school-Fanatiker, interessieren euch die alten Bands mehr als die neuen?


Stefan: Mich interessieren neue Bands sicher auch, aber hauptsächlich stehe ich auf Bands von Mitte der 80er, so wie DEAD KENNEDYS...

Harry: Ja, oder auch NAPALM DEATH - gute Bands...



Stefan: Und welche Stilrichtungen habt ihr zuhause so herumstehen?


Harry: Genau das - von DEAD KENNEDYS bis hin zu brachialem Noise und Elektronik-Musik bis hin zu Jazz eigentlich alles...


Stefan: Abschließend habt auch ihr wie bei jedem Interview noch die Möglichkeit, etwas loszuwerden...


Harry: Auf jeden Fall interessant für euch ist der Re-release von "Zero" auf Demonware Records - da sind Bonustracks und ein Live-Video und ein paar kleine Spielereien mit drauf, gerade eben ist unser Splittape mit HAEMORRHAGE erschienen - alle Informationen gibt es auf unserer Homepage... Ach ja, schauts auf www.masticscum.com - das wollte ich auch noch loswerden (lacht)...


Stefan: Dann bedank ich mich fürs Interview und viel Spaß heut Abend auf der Bühne...


Harry: Wir danken... Dir auch noch viel Spaß!



www.masticscum.com

Autor: Macabre

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Beitrag vom 10.11.2001
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