Interview mit RAUHNÅCHT - Das Komponieren mit Seele füllen


Der Salzburger Musiker Stefan Traunmüller versucht mit seinem Solo-Projekt RAUHNÅCHT den Menschen die alten österreichischen Sagen und Mythen näherzubringen und dafür schuf er den Alpine Black Metal. Was sich dahinter verbirgt, wie wichtig für sein Schaffen der Salzburger Untersberg ist, und wie er den schwindenden Einfluss der alten Weisheiten und Riten in der modernen Welt sieht, erzählte uns Stefan in einem ausführlichen Interview, das sicher auch für nicht am Fuße des Untersbergs Beheimatete interessant ist.


Hallo! Danke für die Möglichkeit, dir einige Fragen zu stellen!
Erst einmal würde ich dich bitten, dich ein bisschen vorzustellen, und zu erzählen, wie du zu deiner Musik gekommen bist?



Ich mache seit 1992 Musik, als gerade die zweite Black Metal Welle so richtig losging und ich BATHORY verehrte. Meine erste Band hieß Golden Dawn, mit sehr geringen Mitteln sind damals recht eigenständige Demos sowie das Album „The Art Of Dreaming“ entstanden, alles wurde unlängst auch wieder veröffentlicht. Mit den Jahren habe ich in verschiedenen Bands aller möglichen Stilrichtungen als Musiker, Songwriter oder Produzent mitgewirkt und betreibe auch ein Tonstudio, mittlerweile vor allem für Mix/Mastering. RAUHNÅCHT gibt es seit 2010, als ich aus einzelnen Sequenzen und Sounds der Alpin Folk Band STURMPERCHT neue Songs gebastelt habe. Mittlerweile sind drei Alben, eine EP und zwei Splits veröffentlicht worden.




Du veröffentlichst deine Musik unter dem Namen RAUHNÅCHT! Wie bist du auf diesen Namen gekommen?


Als klar war, dass es um alpine Sagen und Traditionen gehen soll, war der Name sofort da. Der Kringel über dem "a" ist übrigens einer Band mit gleichem Namen geschuldet.


Die Raunächte waren noch vor wenigen Jahrzehnten wichtiger Bestandteil des Jahres, und haben in der modernen Welt eigentlich völlig an Bedeutung verloren. Im ländlichen Raum sind sie jedoch noch durchaus lebendig. Was bedeuten sie für dich?


Es ist die Zeit zwischen den Jahren, zwischen dem Ausatmen des alten und dem Einatmen des neuen Jahres. Die „wilde Jagd“, die über den Nachthimmel zieht, steht für die zu dieser Zeit besonders dünnen Mauern zwischen unserer materiellen Welt und der Anderswelt. In diesen Tagen ist es besonders wichtig, das Alte und nicht mehr Gebrauchte hinter sich zu lassen und Visionen über die Zukunft zu erhalten und in sich zur Realität zu erwecken. Ich finde übrigens schon, dass die Bedeutung der Rauhnächte wieder zunimmt, viele Menschen befinden sich in einem Prozess des Erwachens und besinnen sich wieder auf unsere Verbindung zur Natur und ihren Zyklen.


Auf deiner Facebook-Seite steht als Heimatort der Untersberg. Als Kind habe ich mit Begeisterung Sagen-Bücher gelesen, in denen der Untersberg oft Ort der Handlung war. Hat er wirklich etwas Mystisches an sich?


Hat er definitiv, wobei ich persönlich diverse Orte an seinem Fuß und auch am Gebirgsstock gegenüber sogar noch mächtiger finde (Hitler wusste schon, warum er sein Machtzentrum genau am Obersalzberg bzw. Kehlstein errichtete). Es gibt am Plateau des Untersbergs schon einige Stellen, wo du wirklich das Gefühl hast, in einer Parallelwelt zu sein. Mir erscheint dieser Berg auch oft im Traum und jedes Mal habe ich dieses Gefühl einer anderen Dimension, die irgendwie mit dem Untersberg verbunden ist bzw. über ihn betreten werden kann. Vielleicht werde ich die zentrale Untersberg-Sage, die Lazarus-Gitschner-Sage, in Form des nächsten Albums vertonen.


Du bezeichnest deine Musik als „Alpine Black Metal“! Wie soll man das deuten?


Das kommt einfach von der Bezeichnung Alpin Folk für STURMPERCHT und dem Verwenden urtümlicher Instrumente und Sagen. Ich persönlich bin ja mit dem Terminus Black Metal nicht so glücklich, da ich mich mit den Inhalten der meisten derartigen Bands gar nicht mehr anfreunden kann und meine Musik auch als teilweise relativ farbenfroh empfinde, zumindest gibt es einige Farbtupfer. Aber der Mensch möchte alles kategorisieren und so schnell werde ich die Bezeichnung wohl nicht los.




Eigentlich machst du sehr atmosphärischen Black Metal mit teilweise urtümlichen Elementen und härteren Parts. Ist diese Musik für dich das beste Stilmittel um deine Gefühle auszudrücken?


Es ist eines der Stilmittel, aber nicht das alleinige. Ich mache auch viel Ambient und Meditationsmusik, worin ich mich ebenfalls gut ausdrücken kann. Ich habe längst nicht mehr so viel Aggression in mir wie in früheren Jahren, die härteren Passagen sind für mich eher eine dynamische Steigerung und sollen Erhabenheit ausdrücken. Ich visualisiere dabei den Moment, wenn du aus dem Wald heraustrittst oder den Anstieg hinter dir hast und sich der Gipfel und die Aussicht auf die Weite der majestätischen Berglandschaft öffnet.


Gesanglich trifft aggressiv wirkendes Growling auf weichen Backgroundgesang. Warum vereinst du diese Gegensätze in deinen Liedern?


Weil ich mit eindimensionaler Musik nichts anfangen kann. Ein brutaler Part wirkt ja auch umso brutaler, wenn man davor etwas zurücknimmt, das verstehen leider viele im Metal nicht. Ich versuche oft, meine Arrangements langsam aufzubauen und auf einen wohl dosierten Höhepunkt zuzusteuern. Und ich stehe einfach auf Chöre in der Art von BATHORY.


Bist du viel in der Natur unterwegs, und findest du da die Inspiration für deine Songs?


Ja, genau so ist es. Wenn ich die Stimmung, die ich auf meinen einsamen Bergtouren habe, auch beim Songwriting spüre, kann normalerweise nichts schiefgehen. Die Natur gibt mir alles, was ich brauche, um in eine inspirierte und enthusiastische Stimmung zu kommen. Wichtig ist ganz einfach, das Komponieren mit Seele zu füllen, zu verkopftes Arbeiten führt mich so gut wie nie zu befriedigenden Resultaten.


Wie muss man sich eigentlich das Leben eines Solo-Künstlers vorstellen? Vergräbst du dich wochenlang im stillen Kämmerchen, oder machst du immer wieder lange Pausen?


Als Jugendlicher habe ich mich buchstäblich im stillen Kämmerchen vergraben, sofort nach der Schule und bis zur Schlafenszeit, aber jetzt zerteilt sich der Schaffensprozess schon ziemlich. Das Grundgerüst eines Songs sollte jedoch aus dem Fluss heraus in einem Stück entstehen, das ist wichtig. Detailarbeiten erstrecken sich dann oft über Monate oder sogar Jahre, wobei – das kennt sicher jeder Künstler – es oft sehr schwierig ist, sich von unfertigen Fragmenten entweder zu trennen oder sie „auf Schiene“ zu bringen. Es gibt Ideen, die ich seit Jahren irgendwo mitschleppe, aber hier und da ist dann doch einmal ihre Zeit gekommen.


Bei deinem neuen Album „Unterm Gipfelthron“ arbeitest du mit verschiedenen Musikern zusammen. Sind das Freunde von dir oder hast du sie nach ihrem musikalischen Können ausgewählt?


Das kam schon alles über persönliche Beziehungen zustande. Es geht mir da eher um die persönliche Ebene und nicht unbedingt darum, dass das alles perfekte Profis sein müssen. Nächstes Mal werde ich eventuell auf richtig schnelle Parts verzichten und auch die Drums selbst einspielen. Wenn du alles alleine machst, kreist du oft sehr um dich selbst, aber es ist natürlich auch eine sehr spannende Herausforderung.


Wird es eigentlich jemals die Chance geben, deine Musik live zu erleben?


Es gab in den Anfangstagen der Band schon zwei Live-Shows, an diese denke ich aber mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Meine Ansprüche sind hoch und mir sind auch Charakter und Einstellung meiner Mitmusiker sehr wichtig. Aber ich schließe nicht aus, dass das Gesamtpaket mal passt.




Wie sieht es mit deinen Plänen für die Zukunft aus? Welche Themen möchtest du noch in Musik umsetzen?


Es wird bald eine streng limitierte Split mit TANNÖD und DRUDENSANG geben, dafür habe ich die Sage der Steinernen Agnes (eine Felsformation auf einem Gebirgszug nahe meines Geburtsortes) vertont. Und wie gesagt gäbe es da noch die Lazarus-Gitschner-Sage. Ich hätte schon versucht, einen einschlägigen Sprecher wie Sepp Forcher oder den Großgmainer Pfarrer Schmatzberger, ein sehr intimer Kenner des Untersbergs und seiner Geheimnisse, für ein Hörbuch zu gewinnen, jedoch ohne Erfolg. Daher ist es wohl bestimmt, dass ich mich mit Rauhnåcht der Sache annehme. Bei Interesse ist die Sage hier nachzulesen: www.untersberg.org/html/lazarus_gitschner.html



Dann wünsche ich dir viel Erfolg mit deinem neuen Album, und würde dich abschließend noch um ein paar Worte an unsere Leser bitten!


Danke dir für die Möglichkeit, auf earshot.at präsent zu sein! Ich bedanke mich bei allen Hörern, die in meiner Musik etwas von den tiefen Emotionen wiederfinden, die ich beim Komponieren hatte.


www.alpineblackmetal.at

Autor: Metalmama
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Beitrag vom 18.02.2019
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